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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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ausdrückten: Was bei euch mit den Juden geschieht, ist nicht Gottes Wille. Oder: Was dieser Hitler tut, steht ihm nicht zu. Er überschreitet seine Grenzen.
    Mehr war es nicht. Aber wenn einer so etwas hört und ernst nimmt, ergibt sich der Rest von selbst.
    Hitler begann mit der Zerstörung der Demokratie vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an. Versammlungsverbote, Gleichschaltungsgesetze, der geduldete, teilweise staatlich geförderte Terror der Straße, angeführt von SA-Trupps, Einschüchterung der Gegner, Verhaftung der Kritiker, das nahm nun kein Ende mehr. Am 7. April 1933 eröffnete die Regierung die offizielle, staatlich betriebene Hetze gegen die Juden mit dem »Arierparagrafen«. Sein Inhalt: »Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen.« Das hieß: Die Juden waren aus dem Staatsdienst zu entlassen. Wovon sie künftig leben sollten, war dem Staat egal.
    Die Kirchen waren von dem Paragrafen nicht betroffen. Noch nicht. Aber Bonhoeffer ahnte schon, was kommen würde, schrieb deshalb vorsorglich einen Vortrag über Die Kirche vor der Judenfrage, und noch im selben Monat, also im April, trug er ihn in einem Kreis von Pfarrern vor. Es ist jener bereitserwähnte Vortrag, in dem er davon spricht, dass es zur Pflicht der Kirche werden könnte, »dem Rad in die Speichen zu fallen«.
    Es ist ein streng theologischer, im Grunde fast unpolitischer Vortrag. Als guter Lutheraner gestand Bonhoeffer dem Staat das Recht zu, auch die »Judenfrage« gesetzlich zu regeln. Als konservativer Theologe und Kind seiner Zeit war er, wie alle anderen, ganz unschuldig und naiv davon überzeugt, dass natürlich die Juden einem falschen Glauben anhingen, im Irrtum, ja in der Verstocktheit lebten, dass sie bekehrt werden müssen und eines Tages auch bekehrt werden. Aber dann verlässt er den Boden der bisher gültigen Luther-Theologie und behauptet, die Kirche habe den Staat zu fragen, ob er sein Handeln verantworten könne. Schon das war ein heftiger Angriff gegen alle damals lehrenden Groß-Theologen, denn dass die Kirche sich in die Angelegenheiten des Staates nicht einzumischen habe, das hatte doch Luther selbst schon vor vier Jahrhunderten entschieden. Das war ein erzprotestantisches Dogma.
    Aber Bonhoeffer ging noch weiter und verlangte, die Kirche habe sich um die Opfer staatlichen Handelns zu kümmern, auch wenn diese nicht der Kirche angehörten. Sie habe sich also um die Juden zu kümmern. Das sahen die zuhörenden Pfarrer überhaupt nicht ein. Einige verließen unter Protest den Vortrag. So konnten sie nicht hören, dass Bonhoeffer noch eins draufsetzte, und so verpassten sie jenen geschichtlichen Moment, in dem Bonhoeffer mit dem Wort von »dem Rad in die Speichen fallen« erstmals den Gedanken eines aktiven kirchlichen Widerstands öffentlich aussprach.
    Diejenigen, die Bonhoeffer bis zuletzt zugehört hatten, waren nicht begeistert. Fühlten sich auch nicht richtig betroffen. Was hatten sie mit den Juden zu schaffen? Bei dieser Haltung der Pfarrerschaft und der Christen blieb es weit überwiegend, auch als es jüdischen Rechtsanwälten immer schwerer gemacht wurde, ihren Beruf auszuüben, auch als der Arierparagraf in der Folgezeit auf immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausgedehnt wurde, und zuletzt auch auf die Kirche.
    Das musste das für Bonhoeffer Bedrückende, ja Dämonische gewesen sein: Dass das, was er glasklar als Gottes Wort vernommen hatte, von seinen Amtsbrüdern nicht so gehört wurde.
    Sie sahen mehrheitlich keinen Anlass, gegen Hitler vorzugehen. Schlimmer noch: Sie öffneten diesem Hitler die Kirchentür. Weit. Und verbeugten sichvor ihm. Tief. Statt die Juden zu schützen, beteiligten sie sich an der Hetzjagd. Statt den staatlich Verfolgten einen Schutzraum in ihrer Kirche zu bieten, lieferten sie die Opfer der Staatsmacht aus. Statt in der Kirche von der Kanzel herab laut das Evangelium zu verkünden, plapperten sie die Parolen der Nazis nach und versahen diese mit kirchlichen Weihen. Statt zu protestieren, wenn jüdische Geschäfte boykottiert, zerstört oder gar geplündert wurden, applaudierten sie.
    Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 veranstalteten viele Landeskirchen Fest- und Dankgottesdienste. Plötzlich hingen in den Kirchen Hakenkreuzflaggen und innerhalb der evangelischen Kirche spielte sich eine

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