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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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Jahr also exakt 52   Wochen. Demzufolge fallen die liturgischen Feste jedes Jahres immer auf den gleichen Wochentag. Für Pascha bedeutet dies, dass der 15.   Nisan immer ein Mittwoch ist und das Pascha-Mahl nach Sonnenuntergang am Dienstagabend gehalten wird. Jesus habe – so Jaubert   – Pascha nach diesem Kalender, also am Dienstagabend, gefeiert und sei in der Nacht zum Mittwoch verhaftet worden.
    Die Forscherin sieht damit zwei Probleme gelöst: Zum einen hat Jesus ein wirkliches Pascha-Mahl gefeiert, wie es die Synoptiker überliefern; zum anderen hat Johannes darin recht, dass die jüdischen Autoritäten, die sich an ihren Kalender hielten, erst nach dem Prozess Jesu Pascha feierten und Jesus also am Vorabend des eigentlichen Pascha und nicht am Fest selbst hingerichtet wurde. Synoptische und johanneische Überlieferung erscheinen so gleichermaßen im Recht aufgrund der Differenz zweier verschiedener Kalender.
    Der zweite von Annie Jaubert betonte Vorteil zeigt zugleich die Schwäche dieses Lösungsversuches. Die französische Gelehrte macht darauf aufmerksam, dass die überlieferten Chronologien (Synoptiker
und
Johannes) eine Reihe von Ereignissen in wenigen Stunden zusammendrängen müssen: Verhör vor dem Hohen Rat, Überstellung an Pilatus, Traum der Frau des Pilatus, Übergabe an Herodes, Rückkehr zu Pilatus, Geißelung, Verurteilung zum Tod, Kreuzweg und Kreuzigung. Das alles in wenigen Stunden unterzubringen, scheint – so Jaubert – kaum möglich. Ihre Lösung bietet demgegenüber einen zeitlichen Rahmen von der Nacht auf Mittwoch bis zum Morgen des Karfreitag.
    Dabei zeigt sie, dass bei Markus für die Tage „Palmsonntag“, Montag und Dienstag eine genaue Ereignisfolge vorliegt, dass er aber von da direkt zum Pascha-Mahl springt. So blieben nach der überlieferten Datierung zwei Tage, über die nichts berichtet wird. Endlich erinnert Jaubert daran, dass auf diese Weise der Plan der jüdischen Autoritäten hätte funktionieren können, Jesus noch rechtzeitig vor dem Fest zu töten. Pilatus habe dann durch seine Zögerlichkeit die Kreuzigung bis zum Freitag hinausgeschoben.
    Gegen die Umdatierung des Letzten Abendmahls von Donnerstag auf Dienstag steht freilich die alte Überlieferung vom Donnerstag, die uns jedenfalls schon im 2.   Jahrhundert klar begegnet. Dem hält aber Frau Jaubert den zweiten Text entgegen, auf den sich ihre These stützt: Es handelt sich um die sogenannte
Didaskalie der Apostel,
eine vom Anfang des 3.   Jahrhunderts stammende Schrift, die das Mahl Jesu auf Dienstag datiert. Die Forscherin versucht zu zeigen, dass das Buch eine alte Tradition enthaltenhabe, deren Spuren sich auch in anderen Texten fänden.
     
    Dazu wird man freilich sagen müssen, dass die so aufgezeigten Traditionsspuren zu schwach sind, um überzeugen zu können. Die andere Schwierigkeit besteht darin, dass die Verwendung eines hauptsächlich in Qumran verbreiteten Kalenders für Jesus wenig wahrscheinlich ist. Jesus ist zu den großen Festen zum Tempel gegangen. Auch wenn er dessen Ende vorhergesagt und in einer dramatischen Zeichenhandlung bekräftigt hat, ist er dem jüdischen Festkalender gefolgt, wie besonders das Johannes-Evangelium zeigt. Gewiss, man wird der französischen Gelehrten zustimmen können, dass der
Jubiläen -Kalender
nicht strikt auf Qumran und die Essener beschränkt war. Aber dies reicht nicht aus, um ihn für Jesu Pascha reklamieren zu können. So ist es zu verstehen, dass die auf den ersten Blick faszinierende These von Annie Jaubert von der Mehrheit der Exegeten abgelehnt wird.
    Ich habe sie so ausführlich dargestellt, weil sie etwas von der Vielschichtigkeit der jüdischen Welt zur Zeit Jesu ahnen lässt, die wir trotz aller Erweiterungen unserer Quellenkenntnisse nur ungenügend rekonstruieren können. So würde ich dieser These nicht jede Wahrscheinlichkeit absprechen, aber sie schlicht zu übernehmen, ist angesichts ihrer Probleme nicht möglich.
     
    Was sollen wir also sagen? Die sorgsamste Erwägung aller bisher versuchten Lösungen habe ich in dem Jesus-Buch von John P.   Meier gefunden, der am Ende seines ersten Bandes eine umfassende Studie über die Chronologiedes Lebens Jesu vorgelegt hat. Er kommt zu dem Ergebnis, dass man zwischen der synoptischen und der johanneischen Chronologie zu wählen habe, und zeigt aufgrund des gesamten Quellenbefundes, dass der Entscheid zugunsten von Johannes ausfallen muss.
    Johannes hat recht damit, dass die jüdischen

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