Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
DES VATERS
     
     
    A ber was heißt das? Was ist „mein“ Wille im Gegensatz zu „deinem“ Willen? Wer steht sich da gegenüber? Der Vater und der Sohn? Oder der Mensch Jesus und Gott, der dreifaltige Gott? Nirgends sonst in der Heiligen Schrift schauen wir so tief in das innere Geheimnis Jesu hinein wie im Ölberggebet. So hat nicht zufällig das Ringen der Alten Kirche um das Verstehen der Gestalt Jesu Christi im gläubigen Bedenken des Ölberggebets seine abschließende Gestalt gefunden.
    An dieser Stelle ist es wohl notwendig, einen ganz kurzen Blick auf die Christologie der Alten Kirche zu werfen, um ihr Verständnis des Ineinander von göttlichem und menschlichem Willen in der Gestalt Jesu Christi zu verstehen. Das Konzil von Nizäa (325) hatte den christlichen Gottesbegriff geklärt. Die drei Personen   – Vater, Sohn und Heiliger Geist – sind eins, in dem einen „Wesen“ Gottes. Mehr als hundert Jahre später hat das Konzil von Chalkedon (451) das Ineinander von Gottheit und Menschheit in Jesus Christus begrifflich zu fassen versucht mit der Formel, dass in ihm die eine Person des Sohnes Gottes die beiden Naturen – die menschliche und die göttliche – „unvermischt und ungetrennt“ umfängt und trägt.
    So wird die unendliche Unterschiedenheit von Gott und Mensch, von Schöpfer und Geschöpf gewahrt: Menschsein bleibt Menschsein, Gottsein bleibt Gottsein.Das Menschsein ist in Jesus nicht durch die Gottheit absorbiert oder reduziert. Es ist ganz als es selber da, aber doch gehalten von der göttlichen Person des Logos. Zugleich wird in der unaufgehobenen Verschiedenheit der Naturen durch das Wort „
eine
Person“ die radikale Einheit ausgedrückt, in die Gott in Christus mit dem Menschen eingetreten ist. Diese Formel – zwei Naturen, eine Person – hat Papst Leo der Große mit einer weit über den geschichtlichen Augenblick hinausreichenden Intuition geschaffen und dafür sofort die begeisterte Zustimmung der Konzilsväter gefunden.
     
    Aber sie war eine Antizipation: Ihre konkrete Bedeutung war noch nicht ausgelotet. Was heißt das, „Natur“? Vor allem aber: Was heißt das, „Person“? Weil dies keineswegs geklärt war, haben viele Bischöfe nach Chalkedon gesagt, sie wollten lieber nach der Art von Fischern als in der Weise des Aristoteles denken; die Formel blieb dunkel. Deswegen ist die Rezeption von Chalkedon äußerst verwickelt und unter ungeheuren Kämpfen verlaufen. Zuletzt blieb Teilung übrig: Nur die Kirchen von Rom und Byzanz haben das Konzil und seine Formel definitiv angenommen. Alexandrien (Ägypten) blieb lieber bei der Formel von der „einen vergöttlichten Natur“ (Monophysitismus); im Orient blieb Syrien skeptisch gegenüber dem Begriff der einen Person, sofern er eben doch das reale Menschsein Jesu zu beeinträchtigen schien (Nestorianismus). Mehr als die Begriffe wirkten freilich Frömmigkeitstypen, die sich entgegenstanden und den Gegensatz mit der Wucht religiöser Empfindungen aufluden und unlösbar werden ließen.
    Das ökumenische Konzil von Chalkedon bleibt für dieKirche aller Zeiten die verbindliche Wegweisung ins Geheimnis Jesu Christi hinein. Es muss freilich neu angeeignet werden im Kontext unseres Denkens, in dem die Begriffe „Natur“ und „Person“ gegenüber damals eine andere Bedeutung angenommen haben. Dieses Mühen um neue Aneignung muss Hand in Hand gehen mit dem ökumenischen Dialog, der mit den vorchalkedonischen Kirchen zu führen ist, um die verlorene Einheit im Zentrum des Glaubens – dem Bekenntnis zu dem in Jesus Christus Mensch gewordenen Gott – wiederzufinden.
     
    Bei dem großen Ringen, das nach Chalkedon vor allem im byzantinischen Raum ausgetragen wurde, ging es wesentlich um die Frage: Wenn in Jesus nur die eine göttliche Person ist, die die beiden Naturen umfasst, wie steht es dann um die menschliche Natur? Kann diese, von der einen göttlichen Person gehalten, dann überhaupt als solche in ihrer Eigenheit und Eigentlichkeit bestehen? Muss sie nicht zwangsläufig vom Göttlichen absorbiert werden, wenigstens in ihrer höchsten Spitze, dem Willen? So heißt denn die letzte der großen christologischen Häresien „Monotheletismus“. Es könne bei der Einheit der Personen – so sagt sie – nur
einen
Willen geben; eine Person mit zwei Willen wäre schizophren: Die Person zeige sich letztlich im Willen, und wenn nur eine Person da sei, dann könne es schließlich nur
einen
Willen geben. Aber dagegen steht die Frage auf:

Weitere Kostenlose Bücher