Jesus von Nazareth - Band II
Vereinigung des Endlichen mit dem Unendlichen, auf die Vereinigung von Mensch und Gott, auf die Überwindung des Todes?
In der ganzen Geschichte des Lebendigen sind die Ursprüngedes Neuen klein, fast unsichtbar – man kann sie übersehen. Dass das „Himmelreich“ in dieser Welt einem Senfkorn gleich ist, dem kleinsten von allen Samenkörnern, hat uns der Herr gesagt (Mt 13,31f par.). Aber es trägt die unendlichen Potentialitäten Gottes in sich. Die Auferstehung Jesu ist weltgeschichtlich unscheinbar, das kleinste Samenkorn der Geschichte.
Diese Umkehrung der Proportionen gehört zu den Geheimnissen Gottes. Das Große, Mächtige ist letztlich doch das Kleine. Und das kleine Samenkorn ist das wahrhaft Große. So ist die Auferstehung nur in einigen geheimnisvollen Erscheinungen an die Erwählten in die Welt hereingetreten. Und doch war sie der eigentlich neue Anfang – das, worauf im Stillen alles wartete. Und für die wenigen Zeugen war sie – gerade weil sie selber es nicht fassen konnten – ein so umstürzendes und reales Ereignis, so machtvoll auf sie zutretend, dass jeder Zweifel zerrann und sie mit einer ganz neuen Furchtlosigkeit vor die Welt hintraten, um zu bezeugen: Christus ist wahrhaft auferstanden.
DIE ZWEI VERSCHIEDENEN TYPEN DES ZEUGNISSES VON DER AUFERSTEHUNG
W enden wir uns nun den einzelnen Auferstehungszeugnissen des Neuen Testaments zu. Bei ihrer Sichtung wird man zuerst feststellen, dass es zwei verschiedene Typen von Zeugnis gibt, die wir als Bekenntnistradition und als Erzähltradition bezeichnen können.
2.1 DIE BEKENNTNISTRADITION
D ie Bekenntnistradition kristallisiert das Wesentliche in kurzen Formeln, die den Kern des Geschehens festhalten wollen. Sie sind Ausdruck der christlichen Identität, eben „Bekenntnis“, an dem man sich gegenseitig erkennt, mit dem man sich vor Gott und den Menschen zu erkennen gibt. Ich möchte drei Beispiele anführen.
Die Geschichte von den Emmaus-Jüngern endet damit, dass die beiden in Jerusalem die elf Jünger versammelt finden und von ihnen mit den Worten begrüßt werden: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen“ (Lk 24,34). Das ist hier vom Zusammenhang her zunächst eine Art von kurzer Erzählung, aber schon dazu bestimmt, Zuruf und Bekenntnis zu werden, in dem das Wesentliche ausgesagt ist: das Ereignis selber und der Zeuge, der dafür steht.
Ein Miteinander von zwei Formeln finden wir im10. Kapitel des Römer-Briefes: „Wenn du mit dem Mund bekennst ‚Jesus ist der Herr’ und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet“ (v. 9). Das Bekenntnis hat hier – ähnlich wie bei der Erzählung über das Bekenntnis Petri bei Caesarea Philippi (Mt 16,13ff) – zwei Teile: Es wird ausgesagt, dass Jesus „der Herr“ ist, womit von der alttestamentlichen Bedeutung des Wortes „Herr“ aus seine Gottheit benannt wird. Dazu tritt dann das Bekenntnis zum grundlegenden geschichtlichen Ereignis: Gott hat ihn von den Toten erweckt. Hier wird nun auch schon gesagt, welche Bedeutung das Bekenntnis für den Christen hat: Es bewirkt Heil. Es stellt uns in die Wahrheit hinein, die Heil ist. Wir haben hier eine Vorform der Taufbekenntnisse, in denen jeweils das Herrsein Christi mit der Geschichte seines Lebens, seines Leidens und seiner Auferstehung verknüpft ist. In der Taufe übereignet sich der Mensch an die neue Existenz des Auferstandenen. Bekenntnis wird Leben.
Das weitaus wichtigste unter den Osterbekenntnissen finden wir im 15. Kapitel des Ersten Korinther-Briefes. Ähnlich wie beim Abendmahlsbericht (1 Kor 11,23 – 26) betont Paulus mit großem Nachdruck, dass er hier nicht aus Eigenem spricht: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe“ (15,3). Paulus stellt sich hier bewusst in die Kette von Aufnahme und Weitergabe hinein. Hier, in dem Wesentlichen, an dem alles hängt, ist zuallererst Treue erfordert. Und Paulus, der immer so sehr seine eigene Zeugenschaft des Auferstandenen und sein direkt vom Herrn empfangenes Apostolat betont, besteht hier mit großem Nachdruck auf der wörtlichen Treue inder Weitergabe des Empfangenen, auf der gemeinsamen Überlieferung der Kirche von den Anfängen her.
Das „Evangelium“, von dem Paulus hier spricht, ist, wie er sagt, „der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe“ (15,1f).
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