Jesus von Nazareth - Band II
In dieser zentralen Botschaft geht es nicht nur um den Inhalt, sondern auch um den Wortlaut, an dem nicht gerüttelt werden darf. Durch diese Bindung an die Tradition vom Anfang her ist zugleich die universale Verbindlichkeit und die Einheitlichkeit des Glaubens gegeben. „Ob nun ich verkündige oder die anderen: Das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt“ (15,11). In seinem Kern ist der Glaube bis in den Wortlaut hinein nur einer – er verbindet alle Christen.
An dieser Stelle hat die Forschung weiter nachgefragt, von wem genau und wann Paulus dieses Bekenntnis – ebenso wie die Abendmahlsüberlieferung – empfangen hat. Auf jeden Fall gehört es zu der Erstkatechese, die er als Bekehrter wohl noch in Damaskus erhielt, die aber in ihrem Kern zweifellos von Jerusalem ihren Ausgang nahm und zeitlich demnach in die 30er Jahre zurückreicht, also wirkliches Zeugnis der Ursprünge ist.
Der überlieferte Text ist in der Fassung von 1 Kor durch Paulus erweitert, insofern er unter anderem seine eigene Begegnung mit dem Auferstandenen hinzugefügt hat. Für das Selbstverständnis des heiligen Paulus und für den Glauben der werdenden Kirche erscheint es mir wichtig, dass Paulus sich berechtigt fühlte, die ihm zuteilgewordene Erscheinung des Auferstandenen und die damit verbundene Sendung als Apostel dem ursprünglichen Bekenntnis mit gleicher Verbindlichkeit anzuschließen.Er war offensichtlich überzeugt, dass diese Offenbarung des Auferstandenen an ihn noch in die Bekenntnisbildung hineingehört, dass sie zum Glauben der universalen Kirche als ein für alle bestimmtes wesentliches Element hinzugehört.
Hören wir nun den Text des Ganzen, so wie er bei Paulus steht:
„ 3 Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift,
4 und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift,
5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.
6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben.
7 Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln.
8 Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der ‚Missgeburt’“ (1 Kor 15,3 – 8).
Nach Ansicht der meisten Ausleger endet das eigentliche Urbekenntnis mit Vers 5, das heißt mit der Erscheinung vor Kephas und den Zwölfen. Aus weiteren Überlieferungen hat Paulus den Jakobus, die über fünfhundert Brüder und „alle“ Apostel hinzugenommen, wobei er offensichtlich einen Begriff von Apostel verwendet, der über den Zwölferkreis hinausreicht. Jakobus ist wichtig, weil mit ihm die vorher eindeutig reserviert gebliebene Familie Jesu (vgl. Mk 3,20 f.31 – 35; Joh 7,5) in den Kreis der Glaubenden eintritt und weil er derjenige ist, der dann nach der Flucht des Petrus aus Jerusalem die Leitung der Mutterkirche in der Heiligen Stadt übernommen hat.
Der Tod Jesu
W enden wir uns nun dem eigentlichen Bekenntnis zu, das eine eingehendere Besinnung verlangt. Es beginnt mit dem Satz: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift“. Das Faktum des Todes wird durch zwei Zusätze gedeutet: „für unsere Sünden“, „gemäß der Schrift“.
Beginnen wir mit der zweiten Aussage. Sie ist wichtig für die ganze Art, wie die werdende Kirche mit den Fakten des Lebens Jesu umging. Was der Auferstandene die Jünger von Emmaus gelehrt hatte, wird nun zur grundsätzlichen Methode für das Verstehen der Gestalt Jesu: Alles, was an ihm geschehen ist, ist Erfüllung der „Schrift“. Nur von der „Schrift“, dem Alten Testament, her kann man ihn überhaupt verstehen. Auf den Tod Jesu am Kreuz bezogen, heißt das: Dieser Tod ist kein Zufall. Er gehört in den Zusammenhang der Geschichte Gottes mit seinem Volk hinein, er empfängt aus ihr heraus seine Logik und seine Bedeutung. Er ist ein Ereignis, in dem sich Worte der Schrift erfüllen – ein Geschehen, das Logos, Logik in sich trägt, das aus dem Wort hervorkommt und in das Wort eingeht, es deckt und erfüllt.
Wie diese Worthaftigkeit näher zu verstehen ist, deutet die andere Zufügung an: Es war Sterben „für unsere Sünden“. Weil dieser Tod mit dem Wort Gottes zu tun hat, hat er mit uns zu tun, ist er ein Sterben „für“. In dem Kapitel über Jesu Tod am Kreuz haben wir gesehen, welch gewaltiger Überlieferungsstrom von Schriftzeugnissen hier im Hintergrund einfließt, darunter als gewichtigstes das Vierte Gottesknechtslied (Jes
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