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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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dieser Fassung spricht der Beter in der Gewissheit, dass Gott ihn auch in der Situation der Bedrohung, in der er sich offenkundig befindet, schützen und vor dem Tod bewahren werde; dass er in Sicherheit wohnen dürfe: Er wird das Grab nicht schauen. Anders die von Petrus zitierte Fassung: Hier geht es darum, dass der Beter nicht in der Unterwelt bleiben, dass er die Verwesung nicht schauen wird.
    Petrus setzt David als den ursprünglichen Beter dieses Psalms voraus und kann nun feststellen, dass sich in Daviddiese Hoffnung nicht erfüllt hat: „Er starb und wurde begraben, und sein Grabmal ist bei uns erhalten bis auf den heutigen Tag“ (Apg 2,29). Das Grab mit dem Leichnam ist der Beweis des Nicht-auferstanden-Seins. Aber das Psalm-Wort ist doch wahr: Es gilt vom definitiven David; ja, Jesus ist hier eben dadurch als der wahre David ausgewiesen, dass sich in ihm das Verheißungswort erfüllt hat: „Du lässt deinen Frommen die Verwesung nicht schauen.“
    Die Frage, ob diese Rede von Petrus stammt oder wer sonst sie redigiert hat und wann und wo sie genau entstanden ist, braucht hier nicht diskutiert zu werden. Auf jeden Fall handelt es sich um einen alten Typus von Auferstehungsverkündigung, dessen hohe Autorität in der Urkirche sich darin zeigt, dass er dem heiligen Petrus selbst zugeschrieben und als die Urverkündigung der Auferstehung angesehen wurde.
     
    Wenn in dem von Paulus überlieferten Jerusalemer Ur-Credo gesagt wird, dass Jesus auferstanden ist gemäß der Schrift, so ist sicher Psalm 16 als ein für die werdende Kirche entscheidendes Schriftzeugnis im Blick. Hier fand man klar gesagt, dass Christus, der endgültige David, die Verwesung nicht schauen werde – dass er wahrhaft auferstanden sein musste.
    „Die Verwesung nicht schauen“ – das ist geradezu die Definition von Auferstehung. Erst die Verwesung galt als das Endgültigwerden des Todes. Mit der Dekomposition des Leibes, der in seine Elemente zerfällt, was den Menschen auflöst und ihn ins All zurückgibt, hat der Tod gesiegt. Nun gibt es diesen Menschen als Menschen nicht mehr – nur ein Schatten mag in der Unterwelt verbleiben.Von dieser Sicht her war es für die Alte Kirche grundlegend, dass Jesu Leib nicht verwest ist. Nur dann galt, dass er nicht im Tod geblieben ist, dass in ihm wirklich das Leben über den Tod gesiegt hat.
    Was die Alte Kirche aus der Septuaginta-Fassung von Ps 16,10 gelesen hat, hat auch die Sicht der ganzen Väterzeit bestimmt. Auferstehung schließt wesentlich mit ein, dass der Leib Jesu nicht der Verwesung verfiel. In diesem Sinn ist das leere Grab als Teil der Auferstehungsverkündigung ein streng schriftgemäßes Faktum. Theologische Spekulationen, nach denen Verwesung und Auferstehung Jesu miteinander vereinbar seien, gehören dem modernen Denken zu und stehen im klaren Widerspruch zur biblischen Sicht. Auch von daher bestätigt sich, dass eine Auferstehungsverkündigung unmöglich gewesen wäre, wenn der Leib Jesu im Grab gelegen hätte.

Der dritte Tag
     
    K ehren wir zu unserem Credo zurück. Der nächste Artikel lautet: „Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift“ (1   Kor 15,4). „Gemäß der Schrift“ gilt für den Satz als Ganzen, nur einschlussweise für den dritten Tag. Das Wesentliche besteht darin, dass die Auferstehung selbst schriftgemäß ist – dass sie zum Ganzen der Verheißung gehört, die in Jesus aus Wort zu Wirklichkeit geworden ist. So darf man als Hintergrund gewiss an Ps 16,10 denken, aber natürlich auch an Grundtexte der Verheißung wie Jes 53.   Für den dritten Tag gibt es kein direktes Schriftzeugnis.
    Die These, der dritte Tag sei möglicherweise aus Hos6,1f „herausgesponnen“, ist – wie etwa Hans Conzelmann oder Martin Hengel und Anna Maria Schwemer gezeigt haben – unhaltbar. Der Text lautet: „Auf! Lasst uns zu JHWH zurückkehren, denn er hat uns zerrissen und wird uns auch heilen   … er wird uns beleben nach zwei Tagen, am dritten Tag lässt er uns auferstehen, dass wir leben vor ihm.“ Dieser Text ist ein Bußgebet des sündigen Israel. Von Auferstehung aus dem Tod im eigentlichen Sinn ist nicht die Rede. Der Text wird im Neuen Testament und noch im ganzen 2.   Jahrhundert nicht zitiert (vgl. Hengel/ Schwemer,
Jesus und das Judentum
, S.   631). Ein Vorverweis auf die Auferstehung am dritten Tag konnte er erst werden, als das Ereignis am Sonntag nach der Kreuzigung des Herrn diesem Tag eine besondere Bedeutung gegeben

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