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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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interpretiert wurde, seit viele in ihm weniger einen Prediger, sondern eher einen Revoluzzer sehen, rätseln die Exegeten, welcher Alltag ihn prägte, welche Einflüsse – von Gottvater abgesehen – ihn formten. Pulsierte in ihm Arbeiterblut? Prägte ihn die Erfahrung der Unterschicht?
    Es ist allerdings wenig überliefert über die Lebensumstände der Eltern Jesu. Den Autoren des Neuen Testaments ist der Vater nur wenige Worte wert. Vermutlich wurden, um die himmlische Herkunft herauszustreichen, Informationen über ihn einfach verschwiegen. Allerdings ist das Handwerk angegeben, dem der irdische Vater angeblich nachging. Josef war »tekton«, heißt es auf Griechisch bei Matthäus, also Zimmermann und Bauhandwerker, einer, der mit Steinen und Holz umgehen konnte. Aber was hat er gebaut? Und was lernte der Junge von ihm? Aus der Bibel erfahren wir es nicht.
    Archäologen und Historiker haben die Alltagswelt zu jener Zeit gründlich untersucht. Verblüffend dabei ist: Manches unterscheidet sich wenig von dem Bild, das die Region heute bietet. Demnach ist es gar nicht so schwer, sich die Arbeitswelt jener Zeit vorzustellen, dort in Galiläa, am See Genezareth. Historiker zeichnen vom damaligen Galiläa kein Elendsbild, von intakten wirtschaftlichen Strukturen ist die Rede, von Handel und Wandel, von Landwirtschaft und natürlich vom Fischfang. Die klimatischen Verhältnisse sollen vor allem den Anbau von Gemüse, Früchten und Getreide begünstigt haben. Die Archäologen haben Schiffe rekonstruiert, sie haben Teile von Krügen gefunden und Spuren von Handelswegen. Und so lässt sich ein wenig erahnen, wie dort vor 2000 Jahren die Menschen gearbeitet haben.
    In den Dörfern Galiläas standen schlichte Häuser aus Lehm und Holz, manche wohl auch aus Basalt. Sie lassen Rückschlüsse auf Josefs Baujob zu – vermutlich war er ein schlichter Handwerker, der eigenhändig seine Unterkunft in Schuss halten konnte. Ausgefeilte Techniken? Eher nicht, glauben Bibelexegeten. Die Baukunst war vermutlich sehr differenziert entwickelt, je nach Anforderung. Wurden Tempel errichtet, mussten Experten ran, Statiker, Steinmetze und natürlich Zimmerleute, die gefällte Bäume zu Brettern und Balken umarbeiteten. Andere wiederum beherrschten das Schnitzhandwerk, bei Ausgrabungen wurden Hinweise auf entsprechende Werkstätten entdeckt. Ein wenig war es wie heute: je größer die Siedlungen, desto unterschiedlicher die Arbeitsanforderungen.
    An den Mauern der Städte wohnten und arbeiteten Töpfer, Weber und Gerber. Archäologen haben Reste von Webstühlen gefunden. Leder wurde bereits kunstvoll verarbeitet. Manche Werkstätten der Gegenwart sind der damaligen Zeit noch recht nahe. Und wie heute waren vermutlich ganze Gassen, sogar komplette Viertel von einem Handwerk dominiert. Es gab Bäckergassen, wohl auch Metzgergassen und solche, in denen vorwiegend Schmiede ihrem Handwerk nachgingen. Bleicher etwa arbeiteten in Jerusalem in einem besonderen Viertel, ebenso Töpfer. Von einem »Töpferacker« ist beim Evangelisten Matthäus die Rede. Töpfer benötigten Platz zum Stampfen der Tonerde. Viele Tätigkeiten wurden im Freien ausgeübt, manche sogar außerhalb der Stadtmauern – die Gerüche sollten nicht in die Häuser ziehen. Daheim arbeiteten die Frauen, sie spannen zum Beispiel Wolle.
    Aber die Mehrzahl der Menschen war auf dem Land zu Hause, dort, wo die Arbeit mühseliger als anderswo war. Im Neuen Testament geht es immer wieder um diese Zustände – spektakuläre Vorgänge sind überliefert. Diese Szene darf jedenfalls in keinem Jesus-Film fehlen: der Heiland mit dem hungrigen Volk, das auf der Erde lagert. »Fünf Brote und zwei Fische«, erzählt Matthäus, reichen Jesus, um 5000 Menschen zu sättigen. Ein Wunder? Die Macht solcher Szenen prägt bis heute das Bild des Menschensohns.
    Ein Berufsstand rückt immer wieder in den Mittelpunkt, wie in jener Szene, die zwei Männer zeigt, die zu Jüngern berufen werden: Jesus mit ausgestreckter Hand, vor ihm zwei Fischer mit Netzen in einem Boot stehend, so ist es überliefert auf Fresken, in Kirchen, in illustrierten Bibeln. Fischer also, einfache Leute, die mit der Hand arbeiten, die Wind und Wetter ausgesetzt sind, die schuften, so kann man aus dem Überlieferten schließen, waren die engsten Freunde von Jesus. Oder setzt hier schon die Phantasie der Evangelisten ein, die einfach Fischer schrieben, weil sie an Menschenfischer dachten? An Missionare, auf der Suche nach

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