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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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allem, was die Archäologen in Betsaida nicht oder nur vereinzelt fanden: Alltagsgegenstände aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Wie leergefegt scheint die Stadt davon zu sein. Der Ausgräber Rami Arav vermutet, dass die Bewohner ihre Stadt räumten, als während des ersten jüdischen Aufstands die römischen Truppen anrückten. Vielleicht nahmen sie all ihr Hab und Gut, alle Töpfe, allen Schmuck, und flohen in das nahe gelegene Gamla, das weitaus besser befestigt war als ihr eigenes schutzloses Dorf. Stimmt diese These, dann war die Bevölkerung von Betsaida tatsächlich überwiegend jüdisch.
    Gamla ist archäologisch eine der interessantesten Stätten des Heiligen Landes – auch wenn wir nicht wissen, ob Jesus jemals einen Fuß in die Stadt gesetzt hat. Alles Leben in Gamla endete am 20. Oktober 67, als drei römische Legionen und mehrere Hilfseinheiten – insgesamt rund 30000 Mann – unter dem Befehl des Feldherrn Vespasian nach einmonatiger Belagerung in die Stadt einfielen. Da lebte Jesus zwar schon lange nicht mehr. Aber die zerstörten Häuser Gamlas sind wichtig, um zu verstehen, was das Leben in Galiläa auch schon zu seiner Zeit prägte. In dem Aufstand entluden sich die Spannungen zwischen der jüdischen Bevölkerung und den römischen Besatzern mit voller Wucht. Durch Galiläa ziehen sich Zerstörungen, die es erlauben, archäologische Funde klar einzuordnen – entweder in die Zeit vor oder nach dem Aufstand. Wer nach dem Galiläa zur Zeit Jesu sucht, muss unter diese Trümmer- und Brandschichten schauen.
    Insgesamt rund 2000 jener Basaltkugeln, die römische Belagerungsmaschinen über die Mauern hinweg in die Stadt schleuderten, konnten die Archäologen bisher bergen – und es ist erst ein kleiner Teil Gamlas ausgegraben. Dazu kamen noch 1600 Pfeilspitzen. In der Stadtmauer klafft eine riesige Bresche – geschlagen von einem römischen Rammbock. Der Historiker Flavius Josephus behauptete später, 9000 der 10000 in der Stadt anwesenden Juden hätten den Römersturm nicht überlebt. Die Archäologie aber zeigt, dass in der Stadt unmittelbar vor dem Aufstand wohl insgesamt nur 3000 bis 4000 Menschen lebten. Die Einwohner Gamlas waren reiche Olivenbauern. Ihr Öl war so fein, dass es sogar in Jerusalem im Tempel verwendet wurde. Von den produzierten Mengen zeugen die vielen Ölmühlen, die Ausgräber überall in der Stadt gefunden haben. Die Wohnräume der Reichen waren fein dekoriert, es gab aber auch kleinere, ärmlichere Häuser. Die wenigen bisher veröffentlichten Fragmente der Wandmalereien zeigen farbenfrohe Streifen und Muster, wie sie in hellenistisch-römischer Zeit in den besseren Haushalten beliebt waren. Und auch das Geschirr war edler als in vielen der umliegenden Siedlungen: Keramik, Bronze, Glas und auch Schmuck von weit her hatten sich die Bewohner von Gamla geleistet.
    Jesus verbrachte seine Tage vornehmlich in den Dörfern, wie sie vor der römischen Zerstörung rund um den See blühten. Erstaunlich ist, dass er um die einzige ernstzunehmende Großstadt der Region einen weiten Bogen gemacht zu haben scheint – Tiberias. Das Neue Testament ist sehr dürftig mit Hinweisen auf die Existenz der Römerstadt. Dabei muss es zu Lebzeiten Jesu schlicht unmöglich gewesen sein, die Stadt am Westufer des Sees Genezareth zu ignorieren. Herodes Antipas begann um das Jahr 19 mit dem Bau dieses ambitionierten Großprojekts, das er von seinen Architekten auf dem Reißbrett entwerfen ließ – mit Prachtbauten, Sportstadion, imposanter Synagoge und Königspalast. Die Neugründung benannte er zu Ehren seines Kaisers Tiberias.
    Den Großteil der Beamten brachte Antipas aus seiner alten Hauptstadt Sepphoris mit, doch mit besonderen Vergünstigungen lockte er neue Bürger aus allen Teilen Galiläas in die Neustadt. Sie konnten Land zu günstigen Konditionen pachten und mussten für Fischerei und Landwirtschaft nur wenig Steuern zahlen. Bald ließ Antipas Münzen mit einer Dattelpalme darauf prägen: Symbol für den Wohlstand und die Blüte seiner Saat. Die Archäologie deckt seine Kompromisse dabei auf: Die Münzen der Stadt müssen ohne Kaiserporträt auskommen, weil Darstellungen von Lebewesen nach jüdischem Glauben verboten sind. Auch einen Tempel für den Kaiser, wie sein Vater Herodes ihn in Cäsarea Maritima und Samaria errichten ließ, gab es nicht. Die erwartete Kaiserverehrung praktizierte der schlaue Monarch jüdischer Herkunft mit Wettkämpfen zu Ehren des römischen Oberhauptes;

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