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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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knapper Meter Luft über meinem Kopf. Ein Wärter schließt eine Tür an der Hinterseite auf, ein zweiter befördert mich hinein. Auf einem Schild an der Käfigtür steht, daß er aus einer neuartigen Legierung angefertigt wurde, die für einen Mann allein unzerstörbar ist. Mein Blick fliegt durch den Saal; dort drüben sitzt meine Mom und verzieht ihren Mund zu einem Querstrich, wie eine Muppet-Figur oder so. Ihre Handgelenke sind verbunden, ich schätze mal, aufgrund ihres Hilfeschreis. Pam sitzt neben ihr und macht ein Gesicht, dem man ansieht, daß sie sich gerade den Bauch mit einem synthetischen Motelfrühstück vollgeschlagen hat, einem von der Sorte, wo die Zutaten in passenden Portionen serviert werden, die aussehen wie mit Sandförmchen modelliert. Die beiden lieben so was - Krankenhausessen, Motelfrühstück und so weiter. Mom kriegt heute ihre eigene Kamera zugeteilt, doch es wird keine Wundfolter geben, das ist klar. Meine Wunde braucht niemanden mehr, der in ihr herumbohrt - jetzt, wo ich erwachsen bin, bringt sie sich selbständig zum Pochen. Wie sich herausgestellt hat, ist sie nichts anderes als mein Gewissen, zumindest meint das der Psychologe. Dann hat er noch gesagt, so eine Wunde ist das wertvollste Geschenk, das Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben können.
    Ol' Brian, mein neuer Anwalt, sieht richtig optimistisch aus, als ob er sich seiner Sache ganz sicher ist. Er blickt kurz rüber, um mir zuzuzwinkern, dann packt er einen Karton voller Akten auf seinem Schreibtisch aus. Es gibt auch eine Riege nagelneuer, unverbrauchter Staatsanwälte. Ich hoffe, ich drück mich da nicht zu vulgär aus und gerate wieder in meine Problembereiche, aber der Chefankläger trägt sogar solche lässigen, ausgebeulten Hosen, so verdammt spaßig wird das seiner Meinung nach alles werden heute. Ein alter Richter klatscht auf seiner hohen Bank in die Hände und nickt den Anwälten zu. Stille bricht aus im Saal.
    »Meine Damen und Herren Geschworenen«, sagt der Staatsanwalt. »Selten in der Geschichte des Staates Texas gab es einen Prozeß, dessen Sachlage so klar auf der Hand lag, wie den, den wir heute eröffnen. Vor Ihnen steht ein Individuum, das die Leben von vierunddreißig rechtschaffenen Bürgern ausgelöscht hat, unter ihnen viele Kinder - sogar Freunde des Angeklagten. Ein Individuum, das offen zugibt, am Tatort eines Highschool-Massakers gewesen zu sein, und das an sechzehn weiteren Schauplätzen von Kapitalverbrechen eindeutig identifiziert wurde. Ein Individuum, dessen Kindheitsphantasien sich um Blutvergießen und Tod drehten. Ein Individuum, dessen perverse sexuelle Neigungen ihn unwiderlegbar mit dem zweiten Schützen des Highschool-Massakers in Verbindung bringen. Meine Damen und Herren, Sie werden heute einem Individuum - denn ich scheue mich zu sagen, einem Menschen - begegnen, das bereits im zarten Alter von sechzehn Jahren den berüchtigten John Wayne Gacy übertroffen hat, was die Tiefe und das Ausmaß seiner Mißachtung der fundamentalsten Rechte anderer Menschen angeht.«
    Sein Arm schwenkt über die Zuschauerränge hinweg zu meinem Käfig. Alle Gesichter schwenken mit, alle Blicke sind auf meinen glänzenden Schädel und die großen, wäßrigen Augen hinter meinen Brillengläsern gerichtet. Ich bleibe teilnahmslos. Der Staatsanwalt lächelt, als ob ihm gerade ein alter Witz eingefallen ist.
    »Und wissen Sie, was?« sagt er. »Genau wie Gacy beteuert der Junge seine Unschuld. Nicht etwa an einem der Verbrechen, wo seine Identität möglicherweise verwechselt worden sein könnte, will er unschuldig sein, sondern an vierunddreißig brutalen Morden, verübt an den verschiedensten Orten in diesem großen Staat.«
    Teile meines Körpers haben sich bereits nach innen gestülpt, als Brian vortritt. Langsam durchquert er den freien Raum in der Mitte des Saals und nickt stumm vor sich hin. Dann bleibt er stehen, lehnt sich an die Brüstung der Geschworenenbank und schaut, ganz in Erinnerung versunken, in die Luft.
    »Gott weiß«, sagt er, »es ist eine feine Sache, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag vor dem Fernseher zu entspannen.« Er reibt sich sein Kinn und schlendert in die Mitte der Lichtung. »Sich vielleicht einen Film anzuschauen.« Seine Augenbrauen rücken zusammen. »Muß allerdings ziemlich anstrengend sein für die Stars dieses Films - von jedem auf der Straße erkannt zu werden. Wie ich darauf komme? Ich komme darauf, weil sich in der Region, in der mein Mandant zu Hause

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