Jesus von Texas
Vern hier.«
»Vern? Herr im Himmel, wo bist du?«
»Houston.«
»Ach ja, stimmt - haben wir im Fernsehen gesehen. Kriegst du auch genug zu essen?«
Der Wärter lehnt sich rüber und flüstert: »Eier und Chorizo, halbe Stunde.«
»Äh, es gibt Eier und Chorizo.«
»Was, das ist alles? Eier und Chorizo - sonst nichts?«
Der Wärter runzelt die Stirn und umreißt mit den Armen einen imaginären Berg Beilagen.
»Und dann noch 'n Haufen anderes Zeug«, sage ich.
Der Wärter zeigt mir seinen Daumen. Mom kämpft schon um das Telefon, man kann sie im Hintergrund hören. Dann hat sie's endlich.
»Vernon?«
»Hi, Ma.«
»Ist alles okay?«
»Glaub schon. Bei dir alles okay?«
»Na ja, also Lally hat Leona abserviert, das hätten wir also schon mal hinter uns - nicht, daß wir überrascht waren oder so. Ich behaupte mal, daß er wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher ist, und zwar mit eingezogenem Schwanz.« Sie grunzt ironisch.
»Ma, hör schon auf.«
»Du verstehst das eben nicht, er braucht jetzt eine starke Frau an seiner Seite, bei der ganzen Verantwortung, die er hat - besonders, seitdem er Vaine rausgedrängt hat aus der Sache ...«
»Ver-antwortung? «
»Sag bloß, du hast nicht mitbekommen, daß er die Rechte an deinem Prozeß gekauft hat und so weiter? Im Moment ist seine Firma in Verhandlungen, um auch noch die Strafvollzugsanstalt in Huntsville zu kaufen, und er ist einfach angespannt bis zum Gehtnichtmehr, und keiner ist da, der ihn versteht und sich wirklich um ihn sorgt.« Einen Moment lang hört sie sich mein eisiges Schweigen an, dann versucht sie, mir ein bißchen Buttercreme ums Maul zu schmieren. »Und, hattest du einen schönen Geburtstag?«
»Nicht wirklich.«
»Na ja, das mit der Torte hab ich seinlassen dieses Jahr, ich hatte ja keine Ahnung, ob du da bist oder nicht. Und zur Not hätte ich auch noch schnell eine bei Harris holen können, die haben jetzt immer bis zehn offen, obwohl sich Marjone damit nicht so richtig anfreunden kann, bis jetzt zumindest noch nicht. Aber solche Sachen brauchen wahrscheinlich Zeit.«
Ich bin immer noch am Überlegen, wie ich das eigentlich finden soll, dieses Syndrom, daß nahestehende Menschen nicht über naheliegende Themen reden. Eigentlich ist es ja ziemlich peinlich - jeder kann sie sehen, diese riesige Made, die sich schleimtriefend und stinkend durch mein Leben windet, aber niemand spricht darüber. Ich nehm mal an, sie spricht für sich selbst.
Nach dem Telefonat krieg ich ein ziemlich gutes Frühstück vorgesetzt, mit Toast, Maisgrütze und Bratkartoffeln als Beilage zu den Eiern mit Chorizo. Dann kommt mein neuer Anwalt, frisch berufen vom Staat. Brian Dennehy hat die Rolle gekriegt, kein Scheiß, da ist er, stämmig und weise, wie man ihn kennt. Scheinbar haben sie Abdini, den alten Abprallo, wirklich gefeuert. Noch ein Underdog, der von hohen Tieren ersetzt wird. Dieser Brian-Typ macht mir allerdings ziemlich viel Hoffnung, das ist einer, der seine Fälle gewinnt, das sieht man. Ganz ehrlich, ich bin wirklich zuversichtlich, die Geschworenen werden ihn lieben und sich wünschen, er wäre ihr Dad, ihr mürrischer, gütiger Daddy ... Wir haben ein langes Gespräch, Brian und ich, in dem ich ihm erkläre, wie die Dinge stehen.
»Du sagst also, du bist unschuldig?« fragt er. »Du warst überhaupt nicht am Tatort?«
»Na ja, ich meine, ich war dort, also das heißt, ich war in der Schule, und ich denk mal, daß ich auch an der Stelle vorbeigekommen bin, wo's Barry Gurie erwischt hat, aber ...«
Er runzelt die Stirn und hebt eine Hand. »Deine Aussage wird die Geschworenen nicht unbedingt beeindrucken. Verstehen wir uns?«
»Äh-ja, schon.«
»Diese Verteidigung ist sehr wichtig und will gut überlegt sein«, sagt er von der Tür aus. »Sie ist wichtig für dich - und für mich.«
»Ich bin froh, das zu hören.«
»Oh, aber sicher doch. Verfahren, in denen es um die Höchststrafe geht, sind derzeit das Spannendste, was unser Rechtssystem zu bieten hat.«
»Also, Mr. Little, du wirst als erster in den Genuß des neuen Verfahrens kommen, wenn du die kleine Zweideutigkeit gestattest.« Der Mann vom Gericht gluckst und schaut zur Seite.
Er schaut jedesmal zur Seite, wenn er lacht, und er lacht in einem fort, wie er hier so bequem auf meiner Pritsche sitzt.
»Zuallererst solltest du wissen, daß du unter keinerlei Druck stehst, von dem Summer Gebrauch zu machen, der an einer deutlich sichtbaren Stelle in deiner, ähm -
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