Jesuslatschen - Größe 42
blaue
Akelei, Iris und allerlei Kräuter. Das Meer, schon in Sichtweite, empfängt den
Bach in seiner Mündung. Hier herrschen schroffe Steine, deren bemooste Rücken
das Grün des Waldes aufnehmen. Der weiße Fließsand bildet auf den letzten
Metern einen guten Kontrast zum Grün und zu den mächtigen Steinen. Die Flut
erkämpft sich aus der anderen Richtung gerade wieder Meter für Meter den
Strand. Der kleine Bach gräbt sich an einigen Stellen in den Sand und bildet
größere Lachen. So, als könne ihm das Meer gar nichts anhaben.
Zwei Fischer sind mit Krabbensuche zwischen
den felsigen Klippen beschäftigt. Draußen, wo das Meer schon mit seiner Gewalt
auf die vorgelagerten Klippen trifft, türmt die Brandung weiße Schaumkronen
auf. Ein Naturschauspiel, welches an dieser Stelle schon tausende von Jahren so
abläuft. Ständiges Geben und Nehmen.
Die Tradition und Asturien erlebe ich als eine Einheit. Unscheinbar wird Neues geschaffen. Mit Achtung vor
den eigentlichen Werten einer Kultur, wird das Alte erhalten.
Cantabrien sieht das anders, da wird gebaut und geflext was das
Zeug hält. Kreischende Winkelschleifer sind in Cantabrien so allgegenwärtig, wie Bäume im Wald. Soll sein, aber hier gibt es noch ein asturisches Gesicht. Wirklich.
Am Strand entlang gelange ich nach La Isla . Der Ort wirkt nicht ursprünglich und etwas
verschlafen. Die Ursache ist, dass aus einem kleinen Dorf an der Küste, ein
Ferienort entstanden ist. Ich möchte den Anblick mit dem einer auffällig
geschminkten älteren Dame vergleichen.
Im alten Dorfkern finde ich das Haus von Donna
Angelia, welche nichts mit einer auffällig geschminkten Dame zu tun hat. Sie
ist einfach nur eine nette alte Frau, sie begleitet mich gleich in Pantoffeln
und Schürze zur Herberge. Einen Schlüssel bekomme ich nicht. Dafür zeigt mir Donna
Angelia, mit einem Augenzwinkern, dass dieses Fenster nur angelehnt ist und wie
ich mich hineinschwingen soll, in die gute Stube. Vielen Dank für dieses von
der Sonne durchdrungene Haus am Meer. Gerade mal zwölf Kilometer liegen heute
hinter mir, der Fuß muss geschont werden, so werde ich den Camino schaffen! Nun
sitze ich schon wieder am Meer oberhalb des Strandes. Eine Stunde habe ich hier
auf der Bank gelegen und Coelhos Exerzitium des Hörens angewandt. Einfach nur
daliegen und mit geschlossenen Augen alle Geräusche ringsum aufnehmen. Man
versucht, einzelne Umgebungsgeräusche zuzuordnen. Bilder entstehen. Bis man
sich auf ein bestimmtes Geräusch der Natur konzentriert. Etwa so, als ob man
versucht ein einzelnes Instrument aus einem ganzen Orchester herauszuhören. Das
Ziel dieser Übung ist es, im weiteren Verlauf innere Stimmen aus Vergangenheit
und Gegenwart wahrzunehmen. Die Quelle dafür ist das Gedächtnis der Zeit. Mir
kommt es in erster Linie darauf an, die Ruhe mitten im Tagesgeschehen zu
finden. Für weitergehende Meditation in dieser Richtung, fehlt mir derzeit noch
etwas Übung. Gerade ziehen drei Paare, mit fünf Kindern und einem Hund, an mir
vorbei. Alle zusammen froh und ausgelassen schwatzend, nur einer hat ein
Gesicht gezogen. Das sieht ganz nach Picknick aus. Da fällt mir ein, heute ist
Samstag.
Am breiten Sandstrand tummeln sich
Menschenpunkte. Die Entfernung und das durch die aufsteigende Feuchtigkeit
gefilterte Licht, lassen diese Kulisse nebulös erscheinen. Direkt auf der
anderen Seite erhebt sich ein Felsmassiv. In diese Richtung ziehen gerade die
Wolken. Die Bergkuppen sind schon nicht mehr zu sehen. Gleichzeitig hebt sich
die Wolkendecke über dem Meer und der Horizont wird klar und blassblau.
Die Picknickvorbereitungen in meiner Sichtweite
sind in vollem Gange. Jeder hantiert, reicht, packt aus und die Kinder rennen
einfach nur herum, wobei der Hund stets den Mittelpunkt bildet. Als alle am
Tisch sitzen, hat das Gewimmel ein Ende, selbst der Hund hat sein Plätzchen
gefunden. Nur die Möwen fliegen und das Meer sucht mit seinen Wellen das Ufer
ab. In meinem Dunstkreis sehe ich mehrere langbeinige steinfarbene „ Fietscher “, diese erinnern mich ein wenig an ein
alljährlich im Mai stattfindendes Ritual zu Hause im Garten. Darauf komme ich
später noch einmal zu sprechen. Eindrücke dieser Art wären seltener geworden,
wenn mein Fuß nicht so geschmerzt hätte und ich weiter durchs Land gerast wäre.
Die Nähe des Strandes nutzend, liege ich
wieder am Ufer, diesmal in einer kleinen Felsbucht. Ich spüre den Wind, der mit
den Wellen kommt und wieder zieht. Die Sonne ist
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