Jesuslatschen - Größe 42
anhand meiner Karte, dass ich im falschen
Tal unterwegs bin. Dieses Tal führt unweigerlich in die entgegengesetzte
Richtung. Soll bedeuten, den ganzen Weg retour, am Friseur vorbei, um kurz
hinter dem Geschäft in eine fast parallel verlaufende Straße zu gelangen.
„Wer es eilig hat, soll einen Umweg
machen.“
chinesisches Sprichwort
Die
wegweisenden „ Flecha amarilla “
führen, nachdem ich einen Berg überwunden habe, geradewegs in ein wirkliches
Märchental. An einem alten Bauerngehöft raste ich auf einer Steinbank, unter
einer kleinen Andachtsnische. Die Heiligenfigur aus der kleinen eingemauerten Glas aus der kleinen eingemauerten Glasvitrine über meinem
Rastplatz ist entschwunden. Sicher wurde sie von so einem geldgierigen Trottel
geplündert.
Jetzt
wird erst einmal der „Kühlschrank“ geplündert. Somit wird gleichzeitig die zu
tragende Last geschmälert. Der Bauernhof, an dessen Mauern ich ausruhe, ist
zweifellos bewirtschaftet, aber niemand zeigt sich.
Eine
Asphaltstraße durchzieht mit sanften Kurven und kleinen Anstiegen diese
malerische Sommerlandschaft. Der nächste Stopp liegt nur ganze zwei Kilometer
entfernt. Eine sehr idyllische Raststätte. Woraus ist eigentlich dieses Wort
geschöpft? Sicher aus rasen von Stadt zu Stätte. Hier liegt das etwas anders,
viele Stätten verführen dich zum Ras(t)en. Aus einer von Moos bewachsenen
Steinwand dieser Raststätte plätschert eine klare Quelle. Die Stufen hinab sind
mit allerlei Konsummüll belegt. Nachdem ich das alles eingesammelt und in einer
kleinen Tüte am Rande abgelegt habe, sieht es hier wieder aus wie an einem
steinalten Quellbrunnen. An der Wand hängt an einer rostigen Kette eine rote
Blechtasse. So ein emailliertes Henkeltöpfchen, wie ich es noch aus Kindertagen
kenne.
Ein
Schluck des kühlen Nass überzeugt. Sogleich wird noch die Reserveflasche mit
Wasser gefüllt, Arme, Hals und Gesicht erfrischt und weiter geht es durch
dieses scheinbar unberührte Tal. Ein strahlend blauer Himmel und gute Fernsicht
geben den weiten Blick auf eine sanfte Bergkette frei. Am Wegrand reifen rote
Walderdbeeren. Diese stellen ganz automatisch überall wo ich sie sehe eine
Sinnverbindung zu meiner Großmutter her. Mein Vater hat mir oft von seiner
Mutter erzählt. Um damals etwas Geld zu verdienen, hat sie Walderdbeeren
gesammelt und diese dann im Korb zum zehn Kilometer entfernten Markt nach
Angerburg gebracht. Zu Fuß natürlich. Die Vorstellung, diese, doch nicht so
üppig wachsenden, Beeren in solchen Mengen zu sammeln, war für mich als Kind
schon ein Gräuel. Dazu kommen noch zehn Kilometer Fußweg um die Beeren zu
verkaufen, für mich damals unvorstellbar. Nun, Jahre später, laufe ich eine
Vielzahl dessen und fühle mich gut dabei. Vielleicht war auch alles ganz anders
und sie hat gerade diese Zeit genutzt, um einmal ganz für sich zu sein. Sie war
zu der von meinem Vater beschriebenen Zeit noch jung. Von Krieg sprach noch
niemand.
Von
weitem sehe ich einen Bauernhof mit einem großen, für diese Region typischen,
Maisspeicher. Auf dem dahinterliegenden, steil ansteigenden Feld, steckt ein
schwarz gekleideter Mann Bohnen in den Ackerboden. Eine schwarze Baskenmütze
schützt seinen Kopf vor der sengenden Sonne. Der Roman „Fabian“ von E. Kästner
kommt mir in den Sinn. Warum? Fabian sollte mein Sohn heißen, die Namenwahl
fiel dann auf Alexander, da der Name Fabian übersetzt „der Bohnenpflücker“
bedeutet. Das hätte mich übrigens keineswegs gestört. Ich grüße laut in
Richtung Bohnenstecker, er schaut auf und kommt mir über seinen steinigen Acker
entgegen.
Nun
sehe ich, dass dieser Señor schon weit über die siebzig ist. Er klettert noch
eine etwa 1,50 m hohe Wand aus aufgeschichteten Steinen hinauf, lässt sich dabei
aber nicht von mir helfen. Sicher ist er froh, dass hier in dieser himmlischen
Einöde mal jemand vorbeikommt. Zaghaft kommt ein Gespräch in Gang. Der Camino
Santiago führt hier vorbei, das weiß er mit Gewissheit.
Er
zeigt über das weite Land, welches ich vorher wegen seiner einzigen Natur
gelobt habe und gibt mir zu verstehen, dass in diesem Tal sage und schreibe nur
noch sieben Menschen, verteilt auf fünf solcher Bauernhöfe, wohnen. Vom Haus
her kommt noch ein Bewohner auf uns zu. Langsam und behäbig, aber neugierig.
Der alte Herr sagt mir, dass jetzt sein Sohn kommt. Fast hinter vorgehaltener
Hand meint er, dass dieser nichts taugt und faul ist. Bei der Begrüßung stelle
ich fest,
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