Jesuslatschen - Größe 42
Ein
schöner Naturweg durchquert Wiesen und Felder. Granit
ist in dieser Region der traditionelle Baustoff. An Kirchen, alten Gehöften und
Häusern findet man Granitsteine in allen nur möglichen Formen. Der Anblick
dieser Gebäude hat etwas Zeitenüberdauerndes. Die Felder sind mit mühsam
aufgeschichteten Natursteinmauern umgrenzt. Teilweise findet man als Begrenzung
auch bemooste unförmige Granitplatten.
Deutlich
ist an der Bauweise der keltische Ursprung dieses Volkes zu erkennen. Die
Kelten eroberten dieses Land um 700 v. Chr. Große Granitkreuze an
Weggabelungen, Häusern und auf den Friedhöfen haben nicht nur einen religiösen
Hintergrund. Sie sollen auch, dem keltischen Geisterglaube folgend, böse
Geister abwehren. Auf einem Granitfundament eines abgetragenen Hauses sitze ich
im Schatten und genieße eine Orange, welche sich schon vier Tage als eiserne
Ration von mir spazieren tragen lässt. Zwei Tage lang habe ich schon nichts
Vernünftiges mehr gegessen. Umso größer ist die Freude auf den Abend. Mit nur
einer Orange im Bauch, wird es mir nach etwa fünf Kilometern plötzlich ganz
mulmig zumute.
Vor
mir liegt ein Fluss, den eine mittelalterliche Bogenbrücke quert. Vor dieser
malerischen Kulisse streunen zwei große Hunde. Einen anderen Weg gibt es für
mich nicht, also durch! Ich komme näher und sehe an beiden Hundehälsen kein
Halsband.
Die
Statue mit der blutenden Pilgerwade, die mich in der Kathedrale von Mondonedo noch belustigt hat, kann jetzt real werden. Die
Hunde haben mich längst mitbekommen, ich fasse den Stock fester und male mir
meine Verteidigungstaktik aus. Das alles geschieht in wenigen Sekunden. Nun
müsste man Hundegedanken lesen können. Doch was passiert? Sieh nur, das Meer
öffnet sich, die Hunde schauen in meine Richtung und
trollen sich flussaufwärts. Nicht einmal gebellt haben die beiden Perros.
Sicher sehe ich verwegener aus, als ich mich fühle.
Am
Friedhof in Goiriz finde ich eine „Ruhestätte“ auf
einer flachen Mauer vor diesem architektonischen Kunstwerk. Hier, an diesem
Ort, sind die Kreuzmasern ausgebrochen. Auf engstem Raum strecken sich zu
hunderten Granitkreuze verschiedener Abmessungen in die Höhe. Die Einfassung
des Friedhofs, jede Gruft und jede Grabstätte ist mit Kreuzen übersäht. Ein
jedes ist ein Kunstwerk für sich. Hier hätte das Böse gar keinen Platz. Es ist
der Platz des Lebens. Granit, durch Vulkane aus den Tiefen der Erde in
erreichbare Regionen gebracht, erstarrt für die Ewigkeit. Die Lebenden geben
den Toten steinerne Spuren für ewige Zeit.
Weiter
geht es über asturische Asphaltwege und Straßen nach Vilalba . Gleich am Ortseingang der Stadt befindet sich eine
sehr moderne Herberge, also kein wildes Fragen und Suchen. Eine Pilgerherberge
habe ich in diesen anthrazitfarbenen Würfel aus Glas und Beton nicht vermutet.
Eher eine Mensa, Bibliothek, Landeszentralbank oder etwas in der Richtung. An
der Rezeption wird man per Computer registriert. Für diese Einrichtung trifft
das Wort Pilgerhotel eher den Kern. Die Zimmer und Waschräume sind komfortabel
und modern eingerichtet. Es gibt einen Fernsehraum und einen Wäscheraum mit
Waschmaschine. Von keiner der Maschinen habe ich Gebrauch gemacht. Nun ist es
Zeit, endlich wieder einmal etwas richtig gut Zubereitetes zu essen. In einem
nahe gelegenen Restaurant setze ich mich an einen
kleinen Tisch und bestelle auf gut Glück, ohne Wörterbuch folgendes Menü:
Ensaladilla
Rabo de Torro
Tarta Helado
Café
solo
Serviert
wird im Überraschungspaket:
eine
Art Kartoffelsalat mit Mais, Möhren, Kartoffeln, Thunfisch und einer
Mayonnaise-Creme
drei
Stück gekochten Ochsenschwanz
Eistorte
Espresso
Alles
in allem eine schmackhafte Wahl, besonders das Hauptgericht ist eine echte
Überraschung. Das Ochsenschwanzfleisch ist wie Gulasch zubereitet, sehr kräftig
im Geschmack. Zu Hause am eigenen Herd werde ich einmal versuchen, das Gericht
ebenfalls so zu kochen. Es gefällt mir, bedient zu werden, einfach am Tisch zu
sitzen und zu genießen. Das Essen soll mich eigentlich aufbauen und mich zu
Kräften bringen. Aber ganz im Gegenteil überkommt mich eine lähmende Müdigkeit.
Also noch einmal hinein in das „ Peregrinohotel “. Nach
drei Stunden Bärenschlaf bin ich noch immer platt wie ein Puffert. Es ist ein
schöner Abend und ich möchte noch etwas die Stadt erkunden. Der Weg in die
Stadt streckte sich und führt durch schmucklose Vorstadtstraßen. In einem
Hinterhof bekomme
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