Jesuslatschen - Größe 42
der „Bilder einer Ausstellung“
von Stern Meißen, Tomita , Emerson Lake and Palmer. An viele Hörerlebnisse sind Eindrücke geknüpft,
so entsteht Freude ganz im Stillen.
Ein
Schild, auf welchem Pilger aufgefordert werden, im Lokal ihre Schuhe am Fuß zu
lassen, erweckt unsere Aufmerksamkeit. Es sieht aus wie ein Parkverbotschild ,
bloß das auf den weißen Flächen zwei Fußsohlen abgebildet sind. Die
Café-Besitzer werden schon ihre Erfahrungen gemacht haben mit den Düften,
welche abends diesen Schuhen entfleuchen . Meine Fußbekleidung
sind an diesem Spätnachmittag „Ellen Betrix “ Flip
Flops. Patricia I fällt das sofort auf, sie ist im Marketing in der
Kosmetikbranche tätig. Für sie ist das, was ich hier an den Tag lege, eher
Negativwerbung.
Im
folgenden Gespräch reift die Idee und der Wunsch, dass Klaus, Patricia, Gabi
und ich im Oktober dieses Jahres von Santiago nach Finisterre, dem mystischen
Ende der Welt, pilgern. Das sind noch mal knapp neunzig Kilometer und ich
schätze spontan ein, dass wir diese Strecke gemeinsam in vier Tagen schaffen
werden. Mit diesen Gedanken verabschieden wir uns am heutigen Tag. In der
Gewissheit, dass wir uns wirklich einmal begegnen werden.
Die
Nacht in der überfüllten Pilgerherberge ist eine harte Probe. Nur soviel , es entfacht sich ein Kampf um die letzten Betten.
In den Schlafräumen tritt keine Ruhe ein. Mein Bettnachbar schnarcht und hustet
mir regelrecht in die Ohren, egal wie ich liege. Das Stück, was man hätte Nacht
nennen können, wird schon wieder durch aufgeregtes Wühlen in Rucksäcken unterbrochen.
Verschiedene, meist ältere Leute, sind noch vor dem Morgengrauen mit
Stirnlampen vom Herbergslicht unabhängig. Somit können sie zu jeder beliebigen
Zeit wühlen und kramen, solange es ihnen passt. Da jedes Teil extra in Folietüten verpackt ist, hört das Knistern quasi niemals
auf.
Eine
gute Nacht, Familie.
Sonntag, 14.05.2006
Arzúa - Santiago de Compostela
Mich
packt nun irgendwie das Morgengrauen, somit sacke ich meine sieben Sachen und bringe
sie noch im Licht der Morgendämmerung in den kleinen, von Mauern umgebenen Hof
der Herberge. Auf einer flachen Mauer finde ich noch ca. eine halbe Stunde
Schlaf. Dann suche ich müde das Weite.
Gestern
Abend gebrauchte Klaus den Ausdruck „betende Biomasse“, sicher etwas krass
ausgedrückt, aber ganz Unrecht hat er wohl doch nicht. Ein etwas abgelegenes
Bistro lässt mich durchatmen um tief Luft zu holen, für diesen neuen Tag. Der
Weg in Richtung Santiago ist zu einer breiten von tausenden Pilgern ausgetretenen
Piste geworden. Einige Pilger gehen schon gen Süden, in Sichtweite. War ich
noch bis gestern froh, einen Menschen zu treffen, so wird man mehr und mehr
teilweise sogar wortlos überholt. Ein absolutes Novum finde ich an einem alten
Bauerngehöft. Direkt zwischen Scheune und historischem Maisspeicher klebt
völlig deplatziert ein Coca Cola Automat. Disneyland lässt grüßen. Es kann auch
ganz anders sein, im Moment kommt es mir so vor. Die Massen verlaufen sich
allmählich, so kann ich meine Vorstellungen von diesem Tag noch retten.
Am
Rande des Weges sehe ich zu meiner Rechten eine schulterhohe Mauer aus
aufgeschichteten Steinen. In einer größeren ausgesparten Nische stehen ein Paar
Sandalen. Neben den Schuhen liegt ein bunter Strauß Feldblumen. Beim genaueren
Betrachten sehe ich, dass die Sandalen aus Bronze sind. Genaueres verrät mir
eine daneben angebrachte Gedenktafel. Hier, etwa fünfundzwanzig Kilometer vor
Santiago, hat ein Pilger aufgehört zu leben. Schwer sich dieses Los
vorzustellen. Jemand macht sich auf den Weg und muss, das Ziel schon fast vor
den Augen, gehen. An dieser Stelle schließe ich Frieden mit den „Stirnlampen“,
denn sie haben sich aufgemacht, um anzukommen.
Nach
siebzehn Kilometern komme ich ohne nennenswerte Schwierigkeiten in Santa Irene
an. Gegen Mittag beschließe ich, weiter bis zur Ortschaft Pedrouzo zu gehen.
Von dort ist es nicht mehr weit bis zum „Monte do Gozo“.
Die
Nähe zu Santiago de Compostela beflügelt mich förmlich. Es folgt ein
abwechslungsreicher, aber lang gestreckter Weg, an diesem zum Glück etwas
trüben Tag. Nun befällt mich der Hunger. Das einzige Restaurant in diesem
kleinen Dorf macht einen bescheidenen, aber vornehmen Eindruck. Drinnen ist gerade
eine Familienfeier in vollem Gange. Trotz Beteuerungen seitens des Personals,
sitze ich im Freien allein an einem Tisch und werde nicht bedient. Der
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