JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
immer mehr. Das sage ich ohne Vorwurf, es ist einfach eine Feststellung. »Die Bürger draußen im Lande«, sagen die Politiker zu uns. Immer öfter höre ich als Bezeichnung für mich Bürger sogar: »der kleine Mann«. Die da oben, wir da unten. Da driftet etwas auseinander, und es bewegen sich dabei beide Seiten. Der Staat entfernt sich von seinen Bürgern, und die Bürger wenden sich ab von ihrem Staat.
Das ist nur eine von mehreren Entfremdungen. Die da oben, wir da unten - das empfinden viele auch angesichts der großen Konzerne, die sich international ungeniert zwischen den Gesetzen der einzelnen Länder durchmogeln können. Unternehmensführer, die Arbeitskräfte entlassen, wenn sie zu teuer oder zu wenig fleißig sind; die sich selbst immense Abfindungssummen oder gar Schmiergelder zahlen lassen. Und falls sie, was selten geschieht, deshalb verklagt werden, lässt sich die Sache vor dem Gesetz manchmal durch eine Bußgeldzahlung aus der Welt schaffen.
Das schmerzt, das verletzt, und auch wenn wir die genauen Hintergründe nicht kennen - die Menschen fühlen sich immer machtloser und entfremdeter. Die da oben, wir da unten. Unsere Verhältnisse ähneln darin durchaus denen in Israel zur Zeit Jesu. Ohne es laut zu sagen, warten unsere Herzen auf einen Befreier. Einen Messias, einen Erlöser, der die vermeintlichen Zwänge dieses ungerechten Systems zerschlägt und uns die Freiheit eröffnet, den herrlichen Luxus seiner Schöpfung zu genießen. Da müsste sich doch etwas von Jesus lernen lassen, der in einer ähnlichen Situation gelebt hat. Schon bei seiner Geburt wird die Entfremdung durch die Macht da oben spürbar.
»Es begab sich aber zu der Zeit«, lautete der Satz, der die Grundlage bildet für den im vorigen Kapitel beschriebenen JesusLuxus der Zeitlosigkeit. Schon in der zweiten Hälfte dieses Satzes geht es um Fremdherrschaft und Entfremdung: »... dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde«. Diese Steuerschätzung sollte als Berechnungsgrundlage für die Steuern dienen, die an den Herrscher im fernen Rom zu zahlen sind. So verschlägt es Jesu Eltern in die kleine Stadt Betlehem, die Stadt seiner Väter, die aber nicht mehr die Stadt seines Vaters Josef ist, weil der längst nach Norden ins ferne Nazareth gezogen ist.
Wie erlöst nun Gott aus der Fremdherrschaft? Wie bringt er seine Menschen dazu, wieder herauszufinden aus der Entfremdung? In den biblischen Berichten über das Leben Jesu lassen sich vier Schritte dazu entdecken:
Die Fesseln sehen
Die Fremdherrschaft überhaupt erst einmal zu erkennen und zu benennen ist schwieriger, als es aus der Entfernung aussieht. Denn in der Regel geht fremde Herrschaft sehr tief, bis hinein in die Herzen. Wir versuchen in der Regel zunächst, uns mit ihr zu arrangieren, oft zähneknirschend und wütend. Eine Zeit lang, oft eine sehr lange Zeit lang, geht das gut. Aber es höhlt uns von innen aus.
Die Geburtsgeschichte Jesu in der Bibel ist eingerahmt von Gesängen über Knechtschaft und Befreiung, von Prophezeiungen über Feinde und Erlösung. Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer, singt nach monatelangem Schweigen anlässlich der Geburt seines Sohnes ein großes Loblied:
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und
hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils
im Hause seines Dieners David.
So wie er es vorzeiten durch den Mund
seiner heiligen Propheten sagen ließ:
dass er uns errettet von unseren Feinden und
aus der Hand aller, die uns hassen.
Lukas 1,68-71
Maria, die Mutter Jesu, singt in ihrem berühmten Lobgesang:
Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut,
die hochmütig sind in ihrem Herzen.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und
erhebt die Niedrigen.
Er erinnert sich an seine Barmherzigkeit und
wird seinem dienstbaren Israel helfen.
Lukas 1,51-54
Als Jesus dann geboren war und seine Eltern ihn, den Erstgeborenen, nach altem Brauch im Tempel den Priestern vorstellten, kam die alte Prophetin Hanna zu ihm und pries Gott und redete zu ihm vor allen, so heißt es, »die auf die Erlösung Jerusalems warteten«.
Auf die Erlösung warten: Man muss erst einmal wagen, dies so zu formulieren. Solange wir uns mit der galoppierenden Ungerechtigkeit der Welt abfinden, uns mit den Fesseln (die manchmal aus Gold zu sein scheinen) arrangieren, wir nicht um Veränderung und Erlösung und Befreiung bitten, klagen, schreien - so lange wird es für uns keine
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