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Jetlag

Jetlag

Titel: Jetlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edna Schuchardt
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gedrückt hatte. Ein goldener Anhänger mit Kettchen kam zum Vorschein.
    Beim Anblick des Kleinods stiegen Claire die Tränen in die Augen, die sie so lange mühsam versucht hatte zu unterdrücken. Den Anhänger in ihrer geballten Faust, heulte sie, bis ihr der Kopf dröhnte und sie das Gefühl hatte, innerlich total leer zu sein.
    Der Anhänger war in Form einer Katze gegossen. Claire liebte Katzen, hätte gerne zwei oder drei angeschafft, aber da sie den ganzen Tag nicht zu Hause war, mochte sie es keinem dieser Tiere antun, bei ihr leben zu müssen. Außerdem gehörten die samtpfötigen Knuddelviecher ihrer Meinung nach zu Menschen mit großen Häusern und Gärten und nicht in ein Dreizimmer-Appartement. Also verzichtete sie auf die Gesellschaft der eigenwilligen Kreaturen.
    Die Katze saß in stolzer aufrechter Haltung und hatte den Schwanz elegant um ihre Vorderpfoten geschlungen. Sie bewegte sich vor Claires Augen leicht hin und her...
    Mit einem Ruck erwachte Claire. Sie setzte sich auf und starrte einen Moment völlig irritiert auf den Tisch vor sich. Die rote Thermoskaffeekanne stand dort und eine Tasse. Wie kamen die da hin und wie kam sie hierher?
    Das Schrillen der Hausglocke unterbrach Claires weitere Grübeleien. Sie schüttelte den Kopf, um den Schlaf daraus zu vertreiben, erhob sich schwerfällig und schlurfte zur Wohnungstür.
    Der Besucher war indessen zum Dauerklingeln übergegangen. Der schrille Ton der Glocke zerrte an Claires vom Schlaf noch empfindlichen Nerven. Mit Schwung riß sie die Tür auf und wollte dem frechen Eindringling ordentlich den Marsch blasen, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken, als etwas kleines, buntes, lautes, an ihr vorbeischoß.
    "Sag mal, sitzt du auf deinen Ohren?"
    Claire riß die Augen auf, um den letzten Rest Schlaf daraus zu vertreiben. Träumte sie noch oder hatte sie eben wirklich ihre Freundin Melanie gesehen, die wie ein Staubwedel an ihr vorbeigestürmt war?
    "Hallo, Süße!" Melanie ließ ihre Taschen fallen und kam zu Claire, um sie bei den Schultern zu packen und unsanft zu schütteln. "Was ist denn los mit dir?"
    Nein, sie träumte nicht mehr. Melanie stand tatsächlich in Fleisch und Blut vor ihr! Resigniert warf Claire die Tür zu und schüttelte noch einmal den Kopf, um die dumpfe Mattigkeit, die sie immer noch gefangen hielt, zu vertreiben.
    "Was tust du hier?" schaffte sie es schließlich zu fragen. "Wohnst du nicht in Düsseldorf?"
    "Habe ich, Süße, habe ich." Melanie versetzte einem der Gepäckstücke einen ungeduldigen Tritt. "Aber das ist Vergangenheit. Ich habe Bruno verlassen. Es ist aus - endgültig und auf ewig. Ich kann doch ein paar Tage bei dir wohnen, nicht wahr?"
    Sie stieg einfach über den herumliegenden Gepäckberg hinweg und marschierte ins Wohnzimmer.
    Claire folgte ihr, immer noch leicht benommen.
    "Was heißt, du hast Bruno verlassen?"
    Melanie setzte sich mitten auf das Sofa.
    "Ah, das tut gut." Sie streckte die langen Beine von sich, die in hautengen Jeans steckten und legte den Kopf gegen die Rückenpolster. "Ich habe die halbe Nacht auf verschiedenen Bahnhöfen verbracht. Hast du dich schon mal gefragt, wer die Fahrpläne der Bundesbahn entwirft? Ich glaub, da steckt gar kein richtiges System dahinter. Die pinnen nur das Streckennetz an irgendeine Bürowand und schießen mit Dartpfeilen drauf. Der erste Treffer bedeutet, daß der verdammte Zug dort überhaupt hält und dann gehts darum, wie oft sie noch eine Spitze versenken können. Je mehr Treffer, desto häufiger wird die Stadt angefahren."
    Claire kam langsam zu sich, aber das bedeutete nicht, daß sie begriff, was Melanie hier suchte. Die Freundin hatte vor einem Jahr geheiratet und war mit ihrem Mann nach Düsseldorf gezogen. Seitdem hatte sie nur sehr sporadisch von sich hören lassen. Mels letzte Nachricht an Claire war eine alberne Didlemaus-Karte gewesen, auf der nur ein Satz stand.
    "ICH BIN JA SOOOOO GLÜCKLICH!"
    "Hör zu", fiel Claire ihr ins Wort, als Melanie sich anschickte, ihre Reiseerlebnisse in epischer Breite zu schildern. "Ich bin gerade von einem dreimonatigen Amerikatrip zurückgekommen und hier oben..." dabei tippte sie sich an die Stirn. "...noch nicht ganz da. Sei also so gut und erzähle alles der Reihe nach. Wieso hast du die halbe Nacht auf Bahnhöfen verbracht? Und weshalb bist du hier? Ich dachte, du und Bruno seid seit eurer Hochzeit unzertrennlich."
    "Unzertrennlich, ha!" Melanie spuckte die Worte aus wie einen faulen Apfelgribsch.

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