Jette
Eigentlich bin ich bei Haller Design fürs Brand Management zuständig«, lüge ich meinen Gegenüber an. Warum habe ich das gesagt?
»Kommt der junge Mann allein zurecht? Wenn ja, dann könnte ich Ihnen in der Zwischenzeit das Haus zeigen.«
»Sicher. Unser Malte schafft das schon«, sage ich und strecke meinem Untermieter mit einem Augenzwinkern meine schön gefeilten und lackierten Fingernägel entgegen. Gespannt folge ich Herrn Schmelzer durch die imposante Diele, von der man einen freien Blick in die offenen und noch komplett unmöblierten Räume hat. Die hohen Decken haben aufwändige Stuckverzierungen, so wie es für Altbauten typisch ist. Die Wände sind in einem gebrochenen Weisston gestrichen und es riecht im ganzen Erdgeschoss nach frischer Farbe. Mein Interesse gilt weniger den leeren Zimmern, sondern eher meinem Führer. Er trägt einen leichten, silbergrauen Anzug, der im gleichen Ton schimmert, wie sein volles, kurzgeschnittenes Haar. Ich schätze ihn auf Anfang fünfzig. Lässig lehnt er an der frisch gestrichenen Wand und deutet auf das deckenhohe Erkerfenster. Dort sollen zwei Sessel ihren festen Platz bekommen. Obwohl er nicht lächelt, fallen mir seine Lachfalten auf, die ihn mir auf Anhieb sympathisch machen.
»Gefällt es Ihnen?«
»Es hat Klasse und Eleganz. Obwohl....«
»Obwohl? Raus mit der Sprache. Zieren Sie sich nicht, Frau Lüders.«
»Es ist nur meine persönliche Meinung. Ich finde, die Möbel passen hier überhaupt nicht hinein. Jugendstil und 50er Jahre? Aber bestimmt haben Sie und Ihre Frau sich etwas dabei gedacht.«
Schmelzer grient und schaut amüsiert auf den Boden. Gerade als er ansetzt, mir zu antworten, kommt Malte mit dem ersten Sessel herein.
»Wohin damit?«
»Stellen Sie sie einfach in der Diele ab. Ich werde sie später selbst an ihren richtigen Ort bringen.«
Ich hoffe inständig, dass er nach dieser kleinen Unterbrechung das Thema nicht wieder aufgreift. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Mal wieder konnte ich meinen Mund nicht halten. Tine würde mich auf der Stelle würgen, wenn sie wüsste, zu welcher Bemerkung ich mich vor ihrem Kunden habe hinreißen lassen.
»Wo waren wir stehen geblieben? Ach, ja. Bei meinem fehlenden Sinn für Stil und Geschmack«, lacht er.
»Das habe ich weder so gesagt, noch so gemeint. Außerdem ist doch Stilmix hoch angesagt.«
»Bestimmt haben Sie Recht. Ich bin auf dem Gebiet Raumausstattung nicht sehr talentiert. Und um Ihre eigentliche Frage zu beantworten, es gibt keine Frau Schmelzer, mit Ausnahme meiner Mutter.«
Fein! Diesmal habe ich für die Beantwortung dieser entscheidenden Frage keine drei Monate gebraucht. Ich werde nicht rot, sondern schenke ihm mein schönstes Lächeln.
»Wenn ich mich so umschaue, werden Sie noch weitere Möbel anschaffen müssen. Falls Sie dabei meine Unterstützung brauchen, dann rufen Sie mich einfach an.«
Ich greife in meine Handtasche und ziehe einen Kugelschreiber heraus. Auf der Rückseite des Lieferscheines notiere ich meine Handy Nummer und schreibe Jette dazu.
»Also ich wäre soweit«, ruft Malte aus der Diele. Schmelzer greift sich in die Hosentasche und zieht ein schwarzes Lederportemonnaie heraus.«
»Das ist für Sie«, bedankt er sich und reicht Malte einen Einhundert Euroschein. Wow. Richtig großzügig.
»Danke. Aber der ist für unsere Kaffeekasse«, lache ich und nehme Malte den Schein grinsend wieder aus der Hand. Ich gehe gerade die ersten Stufen der Außentreppe hinunter, als Schmelzer mir hinterher ruft »Was kostet mich Ihr Dienst als Einrichtungsberaterin? Rechnen Sie pauschal oder nach Stunden ab?« Ich drehe mich um und schaue ihn verblüfft an. Er würde mich dafür bezahlen?
»Was wäre es Ihnen denn wert?«
Mit dieser Gegenfrage hat er nicht gerechnet. Er schaut mich breit grinsend an. Ja, ich bin kein dummes Blondchen, mein Lieber!
»Besprechen wir das heute beim Abendessen? Um acht im Hotel Louis C. Jacob. Wir speisen auf der Terrasse.«
»Um dort einen Platz zu bekommen, hätten Sie spätestens Weihnachten einen Tisch reservieren müssen.«
»Vielleicht hab ich das ja schon in weiser Voraussicht getan. Also?«
»Ja, gerne. Bis später.«
Gleich im Auto raunzt Malte mich an. Ob ich tatsächlich mit diesem Greis den Abend verbringen will.
»Was willst du denn von diesem Silberfuchs? Was er von dir will, kann ich mir bildhaft vorstellen.«
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