Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings
besitzen sie eine bestimmte Struktur, die sich anhand eines vertrauten Bildes veranschaulichen lässt: einer Partitur. Für alle, die nicht zufällig Musiker sind, ist hier ein Ausschnitt aus der Partitur zu Beethovens Fünfter Symphonie abgebildet.
Von der Komplexität dieser Partitur sollte sich niemand abschrecken lassen. Man braucht keine musikalischen Kenntnisse! Wichtig ist die Gesamtstruktur einer Partitur.
Sie besitzt, wie man sieht, eine vertikale und eine horizontale Dimension. Unterschiedliche Instrumente (vertikal angeordnet) spielen unterschiedliche Stimmen. Die Noten der einzelnen Stimmen, die auf oder zwischen den Liniensystemen stehen, werden nacheinander von links nach rechts gespielt. Gleichzeitig gespielte Noten ergeben Akkorde oder Harmonien und in manchen Musikstücken Dissonanzen. Noten, die nacheinander gespielt werden, ergeben Melodien. Die Beziehungen zwischen den Noten der horizontalen und der vertikalen Dimension definieren und bilden die Komposition.
Wenn Sie kurz über Ihre eigene Arbeit nachdenken, wird Ihnen die Analogie zu einer Partitur klar. Jede Situation, in der Timing wichtig ist, hat zahlreiche bewegliche Elemente. Viele Dinge passieren gleichzeitig (die vertikale Dimension). Eine Firma erledigt eine Aufgabe, eine andere Firma eine andere. Jede Person oder Gruppe spielt ihre eigene Stimme (die horizontale Dimension) – oder versucht es zumindest. Jede Stimme (ein Satz von Handlungen) hat ihre eigene Sequenz, ihr Tempo und ihren Rhythmus. Das Zusammenspiel dieser verschiedenen, sich überschneidenden Stimmen – ob es harmonisch, dissonant oder nur lärmend und chaotisch ist – bestimmt, wann die richtigen Bedingungen für bestimmte Aktionen gegeben sind.
Schaut man sich die Vorgänge in der Wirtschaft genauer an, so zeigt sich, dass sie aus sechs Elementen bestehen. Die ersten fünf – Sequenz, Interpunktion, Intervall, Tempo und Form – definieren und beschreiben die horizontale Dimension der Partitur. Das sechste Element fügt die Vielschichtigkeit und damit die vertikale Dimension hinzu. Hierfür übernehme ich aus der Musik den Begriff der Polyphonie (Vielstimmigkeit). Nun kurz zu den einzelnen Elementen:
Sequenz: Dieses Element bezieht sich auf die Abfolge von Ereignissen wie Noten einer Melodie. In jeder Situation, in der Timing eine Rolle spielt, ist es hilfreich und oft wesentlich, zu wissen, was auf was folgt. Zuerst stellt man etwas her und dann verkauft man es; vielleicht läuft es aber auch umgekehrt: Zuerst verkauft man etwas und baut oder produziert es anschließend.
Zeitliche Interpunktion: Dieses Element bezieht sich auf Anfang, Pausen und Ende von Ereignissen oder Prozessen. Die zeitliche Interpunktion funktioniert wie die Satzzeichen in der Sprache, sie setzt Kommas, Punkte und so weiter in einem ansonsten ununterbrochenen Strom von Handlungen oder Ereignissen. Jedes Unternehmen hat seine Liefertermine; jeder Plan oder Prozess hat einen Anfang.
Intervall und Dauer: Dieses Element zeigt an, wie viel Zeit zwischen Ereignissen liegt (Länge des Intervalls) und wie lange jedes Ereignis dauert oder braucht (Dauer). Egal ob im Geschäft oder im sonstigen Leben: Alles braucht seine Zeit.
Tempo: Dieses Element bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der sich Ereignisse vollziehen. Manches entwickelt sich schnell, anderes langsamer. Wer hat nicht schon einmal erlebt, dass ein Projekt den Zeit- oder Budgetrahmen überschritten hatte, oder musste überrascht feststellen, wie schnell sich Wirtschaftsbedingungen ändern können?
Form: Dieses Element beschreibt Rhythmen und andere Bewegungsmuster wie zum Beispiel Zyklen, Rückkopplungsschleifen, Spitzen oder Täler. Hat ein Konjunkturtief beispielsweise die Form eines V, eines W oder einen anderen Verlauf?
Polyphonie: In jedem Muster können viele Dinge gleichzeitig passieren und ihren jeweils eigenen Verlauf nehmen. Polyphonie fragt nach ihrer Wechselbeziehung. Ein Abschwung in China kann zusammen mit einer Krise in der EU Auswirkungen auf die Wirtschaftsbedingungen in den USA haben.
Für das Funktionieren einer Firma ist entscheidend, wie ihre Einzelteile organisiert sind. Das Gleiche gilt für diese sechs Elemente. Ihr Zusammenspiel in vertikal und horizontal angeordneten Mustern vermittelt uns einen Einblick in das Timing. So mag sich ein Chancenfenster öffnen,wenn ein bestimmter Akkord ertönt – also wenn gewisse Bedingungen gleichzeitig gegeben sind (es gibt einen Markt, Ihr Produkt ist fertig und Ihr
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