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Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings

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Titel: Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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die Prozesse jeweils aufeinander haben. Denken Sie nur an das Kapital, das Banken in Reserve halten müssen. Zu viel beeinträchtigt die regulären Bankgeschäfte: Sie können keine Kredite vergeben, was der Wirtschaft schadet. Zu wenig macht die Bank in Krisenzeiten anfällig. Charles Goodhart, Professor an der London School of Economics, schlug für dieses Problem eine Lösung vor, die auf Polyphonie basierte: 35 Regulatoren sollten die Geschwindigkeit des Kreditwachstums und die Preissteigerungsrate der Vermögenswerte beobachten. Sobald sie den allgemeinen Trend stark überstiegen, müsstendie Banken ihr Kapital aufstocken. Goodhart argumentierte, man müsse ein dynamisches System verwalten und regulieren, indem man kritische Variablen überwache, die sich im Laufe der Zeit in ihrem Verhältnis zueinander verändern. Eine Variable beeinflusse die andere.
    Informationen, wie ein Prozess einen anderen beeinflussen kann, lassen sich auf vielfältige Weise nutzen. So verglich eine Studie unter Leitung von Dr. William Keatinge vom Queen Mary and Westfield College in London Gesundheits- und Klimadaten in Europa. Sie fand einen Zusammenhang zwischen Temperaturveränderungen und dem Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die Zahl der Herzinfarkte wies jeweils zwei Tage nach einem Temperaturabfall, die der Schlaganfälle fünf Tage nach einem Temperaturabfall eine Spitze auf. Laut der Zeitschrift The Economist entwickelte man aufgrund der Ergebnisse »ein Computermodell, das meteorologische, demografische und medizinische Daten kombinierte, um den Bedarf an medizinischer Versorgung vorherzusagen. Ein vierwöchiger Versuch […] erbrachte bei den Betriebskosten Einsparungen von 400   000 Pfund.« 36
    Wenn Sie über Polyphonierisiken und -chancen nachdenken, vergessen Sie eines nicht: Es kommt darauf an, Ihr gewohntes Klassifikationssystem auszusetzen, das möglicherweise allzu eng gefasst ist. Das jeweilige Problem mag allem Anschein nach in erster Linie Finanzen, Herstellung, Marketing, Umsatz, globale Strategie oder auch Klimawandel betreffen. Aber ein Problem ausschließlich innerhalb einer dieser Kategorien zu betrachten, kann Sie dazu verleiten, seinen größeren Kontext zu übersehen. Wenn es um Timing geht, kommt es darauf an, viele fortlaufende Handlungsstränge und Ereignisse zu erkennen und zu untersuchen. Dazu ist die Polyphonielinse gedacht. Das Ziel ist, Ihr peripheres Blickfeld zu erweitern, da gerade dort unbemerkte Risiken und Chancen zu finden sind.
Zeitfantasie
    Eine der frustrierendsten Tätigkeiten ist Warten. Sie sind an Ihrem Zielort angekommen, aber jemand, den Sie treffen möchten, oder etwas,was Sie brauchen, ist noch nicht da. Sie müssen warten, und wenn Sie es eilig haben, kann die Wartezeit entnervend sein. So war es am Flughafen Houston. Die Passagiere trafen schnell am Gepäckband ein, aber ihr Gepäck kam nicht. Ein klassisches Polyphonieproblem: Sie steigen aus dem Flugzeug und gehen zum Gepäckband. Ihr Gepäck wird ausgeladen und zum Gepäckband gebracht. Wer oder was ist zuerst da: Sie oder Ihr Gepäck? Und wie groß ist die Zeitspanne dazwischen? In Houston waren die Passagiere zuerst am Band und beschwerten sich, wie lange es dauerte, bis ihr Gepäck eintraf, was durchschnittlich sieben Minuten dauerte.
    Als offensichtliche Lösung bot sich an, das Gepäck schneller zum Gepäckband zu befördern. Ich kann mir vorstellen, wie eine ganze Armee von Arbeitszeitermittlern – ganz im Stil des Effizienzexperten Frederick Taylor aus dem 19. Jahrhundert mit Klemmbrett und Stoppuhr bewaffnet – jede Bewegung des Arbeitsablaufs beobachtet, misst und vielleicht sogar untersucht, wie das Gepäck im Flugzeug verladen ist. Aber diese Lösung wählte der Flughafen nicht. Asynchrone Risiken, also das Risiko, dass etwas nicht zeitgleich, sondern vor oder nach etwas anderem passiert, verlangen nach synchronen Lösungen. Also verlegte der Flughafen »die Ankunftsgates vom Hauptterminal weg und [leitete] das Gepäck zum äußersten Band. Nun mussten Passagiere sechsmal länger gehen, um an ihr Gepäck zu kommen. Die Beschwerden gingen auf null zurück.« 37 Für die Zufriedenheit der Passagiere ist nicht entscheidend, wie lange es dauert, bis sie ihr Gepäck haben, sondern dass sie ihr Gepäck heranrollen sehen, wenn sie sich dem Band nähern: dass also beide synchron eintreffen. Die Lösung in Houston erforderte Fantasie und Sinn für Polyphonie und kostete vermutlich so gut wie

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