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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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nicht einfach den Mund halten? »Wir lügen doch alle ab und zu. Und Ihre Geschichte war wirklich äußerst unterhaltsam, das muss ich Ihnen lassen. Sie haben erzählerisches Talent.« Was kam als Nächstes? Wollte sie mir jetzt einreden, sie wäre ein Talentscout für Lügner? Gab es dafür jetzt auch schon eine Casting-Show? Gewundert hätte es mich nicht. Ich stand jetzt endgültig auf. Marie-Anne sah mit ihren dunklen Augen unter feingeschwungenen Brauen zu mir hoch und sagte leise: »Schade. Wirklich sehr schade. Übrigens ist Ihre Perücke verrutscht.« Dazu lächelte sie so freundlich, als gäbe es für sie kein größeres Glück als eine nette Unterhaltung mit einem leugnenden Lügenbolzen. Automatisch griff ich nach meinem Haar. »Was wollen Sie eigentlich von mir?« – »Gar nichts. Wie ich schon sagte, würde es mich einfach nur interessieren, wieso eine so sympathische Frau wie Sie erfundene Geschichten erzählt. Ist Ihr eigenes Leben nicht interessant genug?« Erst in diesem Moment fühlte ich mich wirklich ertappt. »Wollen wir nicht vielleicht doch noch einen Kaffee zusammen trinken?«
    Ich weiß, es klingt verrückt. Aber ich ging zur Toilette, richtete vor dem Spiegel meine Zweitfrisur und setzte mich wieder zu Marie-Anne Dupont an den Tisch. »Noch einen Latte macchiato?« Ich nickte, keine Ahnung, warum, und sah ihr nach, wie sie mit zierlichen Schritten in den Laden ging. Wieso saß ich hier? Ich wollte doch wohl nicht ernsthaft irgendeiner wildfremden Frau meine Sünden bekennen? Ich, die ich zuletzt mit siebzehn das Bedürfnis zur Beichte verspürt hatte, und auch das nur, weil unser Kaplan so wunderschöne braune Rehaugen und so einen tollen Körper hatte? Genau genommen wollten damals alle Mädchen aus meiner Klasse bei ihm beichten beziehungsweise ihm diesen Unsinn mit dem zölibatären Leben ausreden. Marie-Anne hatte mit dem Kaplan so viel Ähnlichkeit wie Herkules mit einem Bernhardiner, und trotzdem kannte sie eine halbe Stunde später zwar nicht alle meine Sünden, aber fast alle meine Kümmernisse. Also zumindest die der armen Lillian, deren Mann mehr mit seinem Job verheiratet war als mit ihr und der die eigene Tochter fremd war. Die sich gelegentlich damit ablenkte, Geschichten zu erfinden. Ein paar Kleinigkeiten erwähnte ich natürlich nicht. Meinen Job als Sekretärin beispielsweise, oder die innige Verbindung meines Gatten zu Affen und anderem Getier. Als sie fragte, was mein Mann und ich beruflich machten, antwortete ich, wir seien beide in der PR-Branche.
    Ein Teil von mir rechnete damit, dass sie mich wieder der Lüge bezichtigen würde, doch das passierte nicht. Du bist wohl doch kein so fähiger Lügendetektor, wie du meinst, Lady, dachte ich. Aber als Zuhörerin war sie Weltklasse. Ab und zu stellte sie eine Frage, unterbrach mich aber nie. Und manchmal nickte sie, so als wüsste sie genau, wovon ich sprach. Kein erhobener Zeigefinger, kein Vorwurf, kein Wort von Ich-Störungen und Therapie. Vielleicht waren doch nicht alle Psychologen so fürchterlich, wie ich immer gedacht hatte. Wäre es nicht plötzlich kalt geworden, weil sich Wolken vor die inzwischen auch schon ziemlich tief stehende Sonne schoben, ich hätte vielleicht noch Stunden mit ihr geredet. Und Herkules wäre an Darmverschluss eingegangen. Die Leute vom Buchladen stellten die Stühle zusammen.
    »Jetzt muss ich aber wirklich los, danke fürs Zuhören.« Ich meinte es ehrlich. So hatte ich schon verdammt lange niemandem mehr mein Herz ausgeschüttet. Nicht mal Tina. Wahrscheinlich ging das wirklich einfach besser mit jemandem, den man weder kannte noch je wiedersehen würde. Oder mit einem Profi in Sachen Zuhören. »Vielleicht können wir unser Gespräch ja fortsetzen«, meinte Marie-Anne zu meinem Erstaunen. – »Na ja, ich glaube kaum, dass es mich in nächster Zeit nach München verschlägt.« – »Nein, natürlich. Aber ich bereite gerade meinen Umzug nach Hamburg vor. Ich sagte ja schon, dass ich beruflich hier zu tun hatte. Also: Wenn Sie mögen – hier ist meine Karte.«
    Neugierig sah ich mir die Karte an. Umrahmt von filigranen weißen Ornamenten standen mit weißer Schrift auf schwarzem Grund ihr Name und ihre Handynummer. Sonst nichts. »Das tut mir jetzt leid, ich hab gar keine Karte dabei«, sagte ich und nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit ähnlich elegante und schlichte Karten für Lillian Reich drucken zu lassen. »Macht nichts, melden Sie sich einfach bei mir, wenn Sie mögen. Ab

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