Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
konnte. Julia fiel natürlich auch aus, Knuts Mutter sowieso. Meinen Bruder Richard mochte ich sehr, dennoch verband uns vor allem das Familienblut, über ganz Persönliches sprachen wir eigentlich nicht. Blieb noch meine eigene Mutter. Da könnte ich ebenso gut gleich die Tageszeitung informieren. Schon blöd. Ich holte mein Tagebuch aus der Schublade und teilte mein Glück mit dem.
17. September
Best-of:
Zum ersten Mal in meinem Leben bei Gucci eingekauft. Wow! Ich wollte einfach mal wissen, wie sich das anfühlt. Ziemlich gut! Werde ich aber nicht öfter machen – ich hab ja schließlich keine Millionen gewonnen. Irgendwann muss ich entscheiden, was mit dem Geld passieren soll. Einfach verprassen geht ja nun auch nicht. Und immerhin sind wir in der Krise und haben womöglich nächste Woche schon die Inflation!
Worst-of 1:
Bin mit einer Geschichte aufgeflogen (Auswandern, Version Sierra Parima). War aber nicht so schlimm, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Glück im Unglück – die Frau, die mich durchschaut hat, war Psychologin und total nett. Sie hat mir sogar ihre Karte gegeben.
Worst-of 2:
Der dämliche Hund hat sich losgerissen, und ich musste ihn ewig suchen. Tröstlich war nur, dass ich auf der Hundewiese einen superattraktiven Mann kennengelernt habe. Na ja, kennengelernt ist vielleicht ein bisschen viel gesagt. Jedenfalls sieht er aus wie David Garrett in älter. Wie gesagt, SEHR attraktiv; da könnte eine Frau schon schwach werden. Ups. Ob ich jetzt in das Alter komme, in dem ich mir fremde Männer ins Bett träume? Ich meine, nicht, dass ich Knut nicht mehr liebhätte. Das schon. Aber wann haben wir eigentlich zuletzt Sex gehabt?
Apropos Knut. Irgendwann werde ich ihm wirklich sagen müssen, dass ich nicht mit ihm und Gerti aufs Land ziehen will. Das kann doch nicht so schwer sein. Wenn ich doch bloß nicht so ein Feigling wäre!
5
H ey Lilli, neue Frisur? Steht dir!« Chris von der Bildmischung steckte den Kopf in mein Büro. Es gab also doch Männer, denen modische Veränderungen an einer Frau auffielen. Und dabei war Chris nicht mal schwul. »Wir gehen in die Kantine, was ist mit dir?« – »Gib mir eine Minute.« – »Okay, wir warten unten.« Früher war ich selten mit den Kollegen zum Essen gegangen, hatte nur eine Kleinigkeit am Schreibtisch gegessen und dabei weitergearbeitet. Damals, als ich mich noch als vollwertiges Teammitglied fühlte. Damals, als ich die Robinson-Taktik noch nicht für mich entdeckt hatte: Warten, bis Freitag kommt, und bis dahin möglichst wenig tun. Mitten im Satz hörte ich auf zu tippen. Der Vertrag konnte warten. Ich zog meine Jacke über und schloss mein Büro ab. »Frau Karg? Sind die Verträge raus?« Die Berger kam vom anderen Ende des Gangs auf mich zu. Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört, drehte ihr den Rücken zu und ging schnell zur Treppe.
»Sag mal, bei euch war die Stimmung auch schon mal besser, oder?«, fragte Chris, kaum dass wir die lange Schlange an der Kasse hinter uns gelassen hatten und das Seelachsfilet mit Lauch und Salzkartoffeln vor uns stand. Anne, eine Kollegin aus der Maske, pickte in einem Hähnchenbrustsalat mit Vanille-Limetten-Dressing. »Wieso?« Chris zeigte mit der Gabel nach rechts, wo drei Tische weiter unsere Autoren Anette, Michael, Sven und Andrea mit finsteren Mienen über bereits leeren Tellern die Köpfe zusammensteckten und leise redeten. »Vielleicht planen sie ein Attentat«, rutschte es mir raus. »So schlimm?«, fragte Chris. Ich zuckte mit den Schultern. Mit Kollegen sprach ich nicht über meine Sorgen, schon gar nicht in der Kantine. Außerdem hatte ich gekündigt. Innerlich.
Aus dem Augenwinkel sah ich das potentielle Anschlagsopfer durch den Speisesaal kommen, an der Seite des Programmdirektors. Mit seinem Anzug, der feinen Krawatte und dem adretten Haarschnitt sah er noch wichtiger aus als die Berger. Die hatte ganz rote Bäckchen, lächelte wie Sissi an ihrem Hochzeitstag und redete unentwegt auf ihn ein. »Das ist doch peinlich, wie die sich bei dem einschleimt«, meinte Anne, kaum dass Frau Wichtig und Herr Bedeutsam an unserem Tisch vorbei waren – natürlich ohne uns wahrzunehmen. »Die muss sich nicht mehr einschleimen, die schläft mit dem«, sagte Chris. – »Echt?« Anne sah Chris mit großen Augen an. – »Na, was glaubst du denn, wie sie den Job gekriegt hat?« Ich dachte: Das würde zumindest erklären, warum die ganze Redaktion vor der Berger kuscht, und sagte laut: »Wenn das
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