Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
geschüttet, das nach wie vor unberührt vor mir stand. Ich brauchte all meine Selbstbeherrschung, um ruhig zu bleiben. »Selbst wenn stimmen würde, was du sagst, ginge es dich wohl kaum etwas an. Das ist eine Sache zwischen deinem Vater und mir, aber sicher nichts, was ich mit dir – oder mit dir, Tina – besprechen möchte. Schönen Abend noch.« Eine Minute später schlug ich die Wohnungstür zu und stand im Treppenhaus. Mein Herz schlug wie wild. Was bildeten die beiden Zicken da drinnen sich ein?
Bestimmt fünf Minuten stand ich da, zählte die Schuhe, die sich vor der Tür von Tinas Nachbarwohnung stapelten, wartete, dass mein Puls sich wieder beruhigte, und versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Wieso war ich plötzlich die Böse? War Knut wirklich krank? Und wieso hatte Julia gesagt, ich hätte ihn belogen? Was zum Teufel meinte sie? Wusste sie von Tim? Unmöglich. Oder? Lauter Fragen und keine einzige Antwort. Es half nichts. Ich musste da wieder rein.
Julia saß noch auf demselben Fleck. Ich setzte mich ebenfalls wieder auf meinen alten Platz. Tina blieb an der Wohnzimmertür stehen. Ich sah meine Tochter an. »Also gut. Reden wir. Was ist mit Knut?« – »Schlimm genug, dass du das nicht selber weißt.« – »Jetzt hör mir mal gut zu, Julia. Ich hab es dir schon mal gesagt: Für jemanden, der sich normalerweise nur um sich selbst kümmert, bist du verdammt unverschämt. Spar dir also deine spitzen Bemerkungen und sag mir endlich, was mit ihm ist.« Ich kam mir vor, als stünde ich im Boxring und würde versuchen, meine Gegnerin mit Blicken niederzustrecken. Die Runde ging an mich.
»Knut hat einen Bandscheibenvorfall.« – »Und das machst du mir zum Vorwurf?« – »Natürlich nicht. Ich mache dir zum Vorwurf, dass du eure Ehe ruiniert hast. Dass du nicht für ihn da bist. Und dass es Papa deshalb so beschissen geht.« Meine souveräne Tochter klang mit einem Mal wie ein kleines Mädchen. »Hat er das gesagt?« – »Das musste er gar nicht.« Aha. Papakind Julia hatte sich eine Geschichte zusammengestrickt. Dann würde ich die jetzt mal wieder aufribbeln. »Aber vielleicht war er ja so freundlich zu erwähnen, dass ER ausgezogen ist und sich ewig geweigert hat, mit mir zu reden?« Ich wollte auch sagen, dass er eine andere Frau hatte, aber ich bekam die Worte nicht über die Lippen. Die Weinerlichkeit verschwand aus Julias Stimme. »Das ist ja wohl auch kein Wunder! Was hättest du denn an seiner Stelle getan?« Wovon um Himmels willen war nun wieder die Rede?
»Stell dir doch mal vor, Knut hätte im Lotto gewonnen und dir kein Wort davon gesagt! Wie hättest du dich da gefühlt? Wochenlang hat er darauf gewartet, dass du den Mund aufmachst. Und du? Du verdammte Egoistin hast dir heimlich eine Edelklamotte nach der anderen zugelegt, als wärst du Zsa Zsa Gabor. Und nach einer Wohnung gesucht, offensichtlich für dich allein. Ist doch klar, dass es ihm da gereicht hat. Knut ist schließlich nicht blöd.«
K.o. in der ersten Runde. Könnte bitte jemand kommen und mir Wasser über den Kopf schütten? Er hat es gewusst. Er hat es die ganze Zeit gewusst. Ich konnte nichts anderes denken als diesen einen Satz. Mir war schlecht. Er hat es gewusst. Aber wie …?
Julia war noch nicht fertig. »Dann bist du auch noch so dumm, dir das Geld abnehmen zu lassen! Und was macht Knut? Statt dich im Regen stehenzulassen, hilft der Mann dir noch. Und die liebe Lilli? Sagt sie danke? Aber nein, sie gibt ihm noch einen Tritt. Ist sich zu fein, mit ihm zu reden. Lässt ihn wie einen begossenen Pudel im Café sitzen und fährt zur Kur. Große Klasse, Lilli, wirklich ganz große Klasse!«
Irgendwo musste meine Stimme sein. »Das, das …«, krächzte ich, »das war doch alles ganz anders!« Tina mischte sich ein. »Na, was für eine Geschichte willst du uns jetzt auftischen?« – »Knut hat eine Freundin!« Das Lachen der beiden Hyänen klingt mir jetzt noch in den Ohren.
Zum zweiten Mal an diesem Abend rannte ich aus der Wohnung. Erst unten auf der Straße wurde das schreckliche Lachen in meinen Ohren leiser. Ich ging zum Spielplatz und setzte mich auf eine Schaukel. Bei einer Außentemperatur von geschätzten zehn Grad nicht die beste aller Ideen, aber beste Ideen waren in meinem Kopf gerade Mangelware. Das ist alles gar nicht wahr, versuchte ich mir einzureden. Ich habe nur einen ganz üblen Traum. Knut kann nichts von dem Geld gewusst haben, das hat Julia erfunden. Er hat mich verlassen wegen einer
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