Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
bisschen rot. – »Und wie lange muss sie jetzt ins Gefängnis?« – »Das hängt natürlich vom Verlauf des Prozesses ab, aber es können schon zehn Jahre werden.« Zehn Jahre. Sie würde als alte Frau aus dem Gefängnis kommen.
»Ehe ich es vergesse, Frau Karg. Es sieht so aus, als ob Sie Ihr Kapital zurückbekommen werden. Auch das haben Sie Ihrer schnellen Reaktion zu verdanken. Die anderen Geschädigten haben nicht so viel Glück. Deren Geld hat die Beauchamp schon beiseitegeschafft, wir suchen noch danach. Aber in Ihrem Fall kam die Kontensperrung rechtzeitig.« Knut, dachte ich, das war Knut. Ausgerechnet Knut. Das nannte man dann ja wohl Ironie des Schicksals. »Freuen Sie sich nicht?« – »Doch, doch, natürlich.« Ich quälte mir ein Lächeln in die Mundwinkel, bedankte mich und ging.
Freitag, 2. Dezember
Best-of:
Marie-Anne sitzt im Knast, und ich bekomme das Geld zurück. Ich bin super glü
Angewidert warf ich den Stift auf den Tisch. Das war doch Bockmist. Ich war alles andere als glücklich, aber das wollte ich nicht auch noch schriftlich haben. Inzwischen wünschte ich mir, es hätte diesen gottverdammten Lottogewinn nie gegeben. Das Tagebuch verschwand in der Schublade. Herkules’ Pfoten klackerten auf dem Fliesenboden der Küche. Er rannte im Traum. Ich sah ihm traurig zu. Morgen würde Julia ihn abholen – und ich noch ein bisschen mehr allein sein. Komm, Lilli, nun versink mal nicht in Selbstmitleid. Du hast ja noch die Katzen. Überleg lieber, was du sonst machst, wenn du mal einen schlechten Tag hast. Na also. Weihnachtszeit, Touristenzeit!
Der helle Hosenanzug, die braune Bluse, die passenden Schuhe, die Perücke. Ich zog alles an und begann, mir vor dem Spiegel die Lippen zu schminken. Doch etwas war merkwürdig. Die Hand der Frau im Spiegel zitterte, und das Rot verrutschte. Fasziniert beobachtete ich, wie sich auf ihrem Gesicht lange schwarze Spuren bildeten. Unvermittelt schluchzte sie auf, schlug sich die Hand vor den rot verschmierten Mund und flüsterte: Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr lügen.
Lange saß ich auf dem Bett und starrte auf das bizarre Abbild der zerfließenden Lillian Reich. »Du hast mir kein Glück gebracht«, flüsterte ich, »du musst gehen.« Ich sah ihr dabei zu, wie sie sich die Jacke auszog, die Bluse, die Hose, die Perücke. Wie sie sich auflöste, bis nur noch Lilli Karg übrig war – unzulänglich, unglücklich und echt. Dann nahm ich ein Kosmetiktuch vom Nachttisch, wischte mir das Gesicht ab und atmete tief durch. Es war vorbei.
»Was ist denn hier los?« – »Das siehst du doch, ich renoviere.« Ich war selbst erstaunt, wie schnell ich es geschafft hatte, dem Flur und dem Wohnzimmer jeden Wiedererkennungswert zu nehmen. Im Moment klebte ich die Rahmen der Türen im Flur mit Klebeband ab. Mindestens die Hälfte unseres Mobiliars war gleich am Morgen per Expressabholung eines Umzugsunternehmers verschwunden und eingelagert worden. Ich brauchte Platz, ich brauchte Luft zum Atmen. Knut konnte sich den Kram aus dem Lager holen, wenn er wollte. »Gut, dass du kommst, Julia, Herkules ist ganz verschreckt.« Den Hund hatte ich in die noch vollständige Küche gesperrt, wo er jetzt lauthals kläffte, weil er Julias Stimme gehört hatte. Die Katzen versteckten sich zwischen Kartons und Tüten im Schlafzimmer. »Aber ich verstehe nicht, du wolltest doch …« – »… eine neue Wohnung? Das hat Zeit. Für den Augenblick reichen neue Farbe und ein paar Möbel.« Julia schüttelte den Kopf. »Aus dir soll man klug werden. Ist es in Ordnung, wenn ich uns einen Kaffee koche?« Sie wollte höchstpersönlich die Kaffeemaschine bedienen? Hört, hört. »Sicher.« Vorsichtig, um nur ja keinen Staub auf ihr Kostüm zu bekommen, wand sie sich durch den Flur. – »Ich komm gleich nach, ich mach das hier nur schnell fertig.«
Als die Kaffeemaschine ihren letzten Rülpser von sich gab, ging ich in die Küche. Herkules benahm sich wie ein Gummiball und bellte immer noch ohrenbetäubend. »Auf Platz!« Sofort herrschte Ruhe, und der Hund verzog sich in sein Körbchen »So ist fein.« – »Hast du ihn gegen einen Doppelgänger eingetauscht? Der gehorcht doch sonst nicht.« – »Das ist alles eine Frage der Führungsenergie.« – »Sag mal, nimmst du irgendwelche Medikamente?« – »Nein«, erwiderte ich lachend, »das hab ich hinter mir.«
Julia rührte in ihrem Kaffee, obwohl sie ihn schwarz trank, und schien fasziniert vom Anblick des Strudels in
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