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Sequoien, dreihundert Meilen küstenaufwärts von ihm. Kaskaden lockeren milchweißen Haars fielen über ihren schlanken, nackten, honigfarbenen Körper. Ein vielkarätiger Glitzerstein funkelte betrügerisch zwischen ihren makellosen kleinen Brüsten. Während er sie ansah, spürte er, wie seine Hände sich verzweifelt zu Fäusten ballten, wie seine Nägel sich ins Fleisch gruben. Er liebte sie über jedes Maß hinaus. Die Heftigkeit seiner Liebe überwältigte ihn und brachte ihn in Verlegenheit.
»Du möchtest heute abend Gruppe machen?« fragte sie. »Du und ich?« Es klang nicht erfreut.
»Warum nicht? Nähe macht mehr Spaß als Fernsein.«
»In der Gruppe gibt es kein Fernsein. Was bedeutet bloße körperliche Nähe zwischen mir und dir? Sie ist irrelevant. Überholt.«
»Du fehlst mir.«
»Du bist ja bei mir«, betonte sie.
»Ich möchte dich berühren. Ich möchte dich einatmen. Ich möchte dich schmecken.«
»Dann taste Berührung. Taste Geruch. Taste alles, was du willst.«
»Ich habe schon alle Sinneskanäle offen«, sagte Murray. »Ich werde von köstlichen Empfindungen überflutet. Es ist trotzdem nicht dasselbe. Es genügt nicht, Kay.«
Sie stand auf und ging zum Ozean. Sein Blick verfolgte sie auf dem Bildschirm. Er hörte die Brandung.
»Ich möchte dich unmittelbar neben mir, wenn heute abend die Gruppe beginnt«, sagte er. »Hör zu, wenn du nicht herkommen willst, komme ich zu dir.«
»Du bist auf langweilige Art hartnäckig.«
Er schnitt eine Grimasse.
»Ich kann mir nicht helfen. Ich bin gerne nah bei dir.«
»Du hast viele altmodische Einstellungen, Murray.« Ihre Stimme klang so kühl. »Ist dir das klar?«
»Es ist mir klar, daß meine Gefühlsantriebe sehr stark sind. Das ist alles. Ist das eine so große Sünde?« Vorsicht, Murray. Ein schwerer taktischer Fehler eben. Das ganze Gespräch wohl ein großer Fehler. Er ging große Risiken bei ihr ein, wenn er zu stark drängte, wenn er so früh zuviel von seiner verrückten Romantik zeigte. Seine Besessenheit von ihr, sein unmöglicher neuer Besitzertrieb, seine seltsame, ich-getriebene Ausschließlichkeit. Seine Liebe. Ja; seine Liebe. Sie hatte natürlich völlig recht. Er war im Grunde altmodisch. Er suhlte sich in emotionellem Atavismus. Du-und-ich-Unfug. Ich, ich, mein, mein. Dieser Widerwille, sie in der Gruppe ganz mit den anderen zu teilen. So, als habe er einen besonderen Anspruch. Unter der Oberfläche war er reinstes neunzehntes Jahrhundert. Das hatte er eben erst entdeckt, und es war eine Überraschung für ihn gewesen. Seine kranken, archaischen Phantasien einmal beiseite, es gab keinen Grund für sie beide, während der Gruppe nebeneinander im selben Zimmer zu sein, es sei denn, sie wären die beiden gewesen, die einander liebten, und nach dem Kopulierungsplan standen Nate und Serena heute auf dem Programm. Hör auf damit, Murray. Aber er konnte nicht aufhören. In ihr steinernes Schweigen hinein sagte er: »Na gut, aber dann laß mich wenigstens einen inneren Intersex-Anschluß für dich und mich einrichten. Damit ich fühlen kann, was du fühlst, wenn Nate und Serena dabei sind.«
»Warum dieses verzweifelte Bedürfnis, in meinen Kopf einzudringen?« fragte sie.
»Ich liebe dich.«
»Natürlich tust du das. Wir lieben Uns alle. Aber wenn du versuchst, eine Zweierbeziehung zu mir herzustellen, verletzt du die Gruppe.«
»Also keinen inneren Anschluß?«
»Nein.«
»Liebst du mich?«
Ein Seufzer.
»Ich liebe Uns, Murray.«
Das war nach aller Wahrscheinlichkeit das Beste, was er an diesem Abend von ihr erhalten würde. Nun gut. Nun gut. Damit würde er sich begnügen, wenn es sein mußte. Ein Brosamen hier, ein Brosamen dort. Sie lächelte, warf ihm ein freundliches Kußhändchen zu und brach den Kontakt ab. Er starrte düster auf den dunklen Bildschirm. Nun gut. Es war Zeit, sich für die Gruppe fertigzumachen. Er schaltete den lebensgroßen Schirm an der Ostseite ein und programmierte die visuellen Anschlüsse. Im Augenblick sendete die Gruppen-Zentrale das Testbild, Standaufnahmen von den Paaren für den heutigen Abend. Nate und Serena waren in der Mitte, umgeben von dem Leuchtstreifen, der sie als die Ausführenden dieses Abends auswies. Außen sah Murray Bilder von sich, von Kay, Van, Jojo, Nikki, Dirk, Conard, Finn, Lanelle und Maria. Bruce, Klaus, Mindy und Lois waren nicht dabei. Vielleicht zu beschäftigt. Oder zu müde. Oder vielleicht befanden sie sich im Augenblick unter dem Einfluß negativer,
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