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der Erotik nicht übermäßig groß. Kann ich etwas vorschlagen? Wie wäre es, wenn die Frau beide Arme und Beine abschnallt und dem Mann ihren bloßen Rumpf darbietet? Hilflos! Verwundbar! Die Quintessenz des Weiblichen! Ich werde mit Louisiana darüber sprechen. Aber zu meinem Glück kann man Arme und Beine bei ihr nicht ablösen.
Am ersten Para-Mittwoch jedes Monats erteilt mir Leutnant Hotchkiss Unterricht im Flüssigkeitsatmen. Wir fahren in eines der tiefsten Untergeschosse des Extravaganz-Gebäudes, wo es ein besonderes sauerstoffübersättigtes Becken gibt, nur für Anfänger, kreisrund und seicht. Das Wasser funkelt wie Opal. Gewöhnlich ist das Becken mit Kindern überfüllt, aber Leutnant Hotchkiss sorgt dafür, daß ich Privatunterricht bekomme, weil ich mich meines Körpers schäme. Eine Lektion gleicht so ziemlich der anderen. Leutnant Hotchkiss steigt die leicht geneigte Rampe ins Becken hinunter. Er ist größer als ich, sein Haar ist goldfarben, seine Augen sind blau. Manchmal fällt es mir schwer, ihn von Dr. Habakkuk und Senator Mandragore zu unterscheiden. Beiläufig hat mir der Leutnant einmal anvertraut, daß er achtundneunzig Jahre alt ist und deshalb eigentlich kein Generationsgenosse von Louisiana, wenngleich Louisiana mehrmals angedeutet hat, sie habe vom Leutnant ihre Ova befruchten lassen. Ich bezweifle das, weil Fortpflanzung in dieser Ära sehr ungewöhnlich ist, und welche Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß sie es ihm mehr als einmal gestattet hätte? Ich nehme an, sie glaubt, Regungen der Eifersucht in mir erzeugen zu können, wenn sie mir so etwas erzählt, weil sie weiß, daß die primitiven Alten häufig eifersüchtig gewesen sind. Ungeachtet all dieser Dinge steigt Leutnant Hotchkiss weiter ins Wasser. Es erreicht seinen Nabel, seine breite, unbehaarte Brust, seine Kehle, sein Kinn, seine empfindlichen, dünnen Nasenflügel. Er taucht unter und kriecht am Boden des Beckens herum. Er bleibt acht oder zehn Minuten unter Wasser, und ab und zu hebt er die Hände heraus und bewegt die Finger, wie um mir zu zeigen, wo er sei. Dann kommt er heraus. Wasser strömt aus seinen Nasenlöchern, aber er keucht keineswegs. Komm, sagt er. Du kannst das. Es ist so einfach, wie es aussieht. Er winkt mich zur Rampe. Jedes Kind kann es, versichert mir der Leutnant. Es ist eine Frage der Selbstkontrolle und Entschlossenheit. Ich schüttle den Kopf. Nein, sage ich, die genetische Veränderung ist es. Meine Lunge ist nicht darauf eingerichtet, Wasser zu verkraften, aber vermutlich die ihrige. Der Leutnant lacht nur. Komm, komm, ins Wasser. Und ich gehe die Rampe hinunter. Wie das Wasser leuchtet und schimmert! Es reicht bis an meinen Nabel, meine schwarzbehaarte Brust, meine Kehle, mein Kinn, meine breiten, dicken Nasenlöcher. Ich atme es ein und ersticke fast und spucke und huste; ich laufe die Rampe hinauf und ringe nach Luft. Mit dem Wasser als bleiernem Gewicht in meiner Lunge werfe ich mich erschöpft auf den Marmorboden und rufe, nein, nein, nein, es geht nicht. Leutnant Hotchkiss steht vor mir. Sein Körper ist makellos. Er sagt, du mußt versuchen, die richtige Einstellung zu finden. Deine geistige Haltung entscheidet alles. Denken wir positiver über das Atmen unter Wasser. Begreifst du nicht, daß das ein großer Schritt in der Evolution ist, einer der großartigen, glorreichen Punkte, die unsere Gattung vom Australopithecus unterscheidet? Möchtest du nicht am großen Sprung nach vorn teilnehmen? Steh auf. Versuch es noch einmal. Denk positiv, die ganze Zeit. Trag in deinem Gehirn die Unterscheidung zwischen dir und deinen barbarischen Vorfahren. Geh hinein. Hinein. Hinein. Und ich gehe hinein. Und Augenblicke später fahre ich aus dem Wasser, hustend und prustend. Das findet am ersten Para-Mittwoch jedes Monats statt. Jedesmal dasselbe.
Wenn man telefoniert und das Gespräch plötzlich unterbrochen wird, sorgt man sich dann, ob die Person am anderen Ende der Leitung glaubt, man habe eingehängt? Vermutet man, daß die Person am anderen Ende aufgelegt habe? Solche Probleme sind hier unbekannt. Diese Leute telefonieren sehr wenig. In dieser Ära sind wir über bloße Kommunikation hinaus, sagt Louisiana manchmal.
Durch meine Augen betrachten diese Leute ihre glänzende Plastik-Epoche in der richtigen historischen Perspektive. Sie müssen sie als die Gegenwart sehen, die immer dieselbe ist. Aber für mich ist sie die Zukunft, und so verfüge ich über die Parallaxe des wahren
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