Jetzt Plus Minus
ist unsinnig, sagt sie sich. Ich verschwinde. Aber bevor sie sich umdrehen kann, taucht der Verkäufer, mit dem sie am Tag vorher gesprochen hat, aus einem Nebenraum auf und begrüßt sie freudig. Mr. Friesling. Er reibt sich praktisch die Hände bei der Aussicht auf einen Vertrag. »Wirklich eine Freude, Sie wiederzusehen, Mrs. Porter.« Sie nickt und blickt besorgt auf die Vorführmodelle. »Wieviel würde es kosten, ein paar Stunden im Frühling 1947 zu verbringen?« fragt sie.
Sonntag ist großer Familientag. Vier Generationen setzen sich gemeinsam zum Mittagessen: Martin, Martha, Ted und Alice, Bobby und Tink. Ted genießt diese Familientreffen, aber er weiß, daß Alice sie verabscheut, vor allem Marthas wegen. Alice haßt ihre Schwiegermutter. Martha hat auch nie viel für Alice übriggehabt. Er beobachtet, wie sie sich über den Tisch hinweg anfunkeln. Inzwischen starrt Martin geil in die Kluft zwischen Alices Brüsten. Man muß es dem Alten lassen, denkt Ted. Den Trieb hat er nie verloren. Auch wenn er nicht mehr viel tun kann, um ihn zu befriedigen, nicht in seinem Alter. Martha sagt mit zuckersüßer Stimme: »Du würdest so viel besser aussehen, Alice, mein Schatz, wenn du deine Haare wachsen lassen würdest, bis sie wieder ihre Naturfarbe haben.« Ein falsches Lächeln von Martha. Eine finstere Miene von Alice. Sie starrt die alte Frau böse an. »Das ist die Naturfarbe«, sagt sie kurz.
Mr. Friesling reicht ihr den Normvertrag. Acht dünnbedruckte Seiten. »Keine Angst, Mrs. Porter. Das sieht schlimm aus, aber in Wirklichkeit ist das nur Juristengeschwätz. Sie können es Ihrem Anwalt zeigen, wenn Sie wollen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die meisten unserer Kunden das nicht für erforderlich halten.« Sie blättert darin. Soviel sie sehen kann, besteht der Text hauptsächlich aus Haftungsausschlüssen. Die ›Temponautik GmbH‹ erklärt sich bereit, die Folgen jedes Defekts zu tragen, der nachweisbar auf ihrem eigenen Verschulden beruht, möchte aber nichts mit höherer Gewalt oder mit Unfällen zu tun haben, die von Kunden verursacht werden, die sich nicht an die Sicherheitsvorschriften halten. Auf der vierten Seite findet Alice eine Klausel mit der Warnung an den künftigen Mieter, daß die Firma nicht für Folgen von Handlungen des Mieters verantwortlich gemacht werden kann, der vorsätzlich oder fahrlässig in den schon bestimmten Ablauf der Geschichte eingreift. Sie übersetzt das für sich: Wenn du den Großvater deines Ehemannes tötest, dann gib uns nicht die Schuld, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. Die restlichen Seiten überfliegt sie nur. »Sieht ganz harmlos aus«, sagt sie. »Wo muß ich unterschreiben?«
Als Martin aus dem Badezimmer kommt, verstellt ihm Martha den Weg. »Entschuldige«, sagt er, aber sie bleibt stehen. Sie ist eine große, beleibte Frau. Mit 58 Jahren bevorzugt sie die Mode der ganz jungen Leute, mit grotesken Ergebnissen; das haßt er an ihr. Er kann verstehen, warum Alice sie so haßt. »Augenblick«, sagt Martha. »Ich möchte mit dir reden, Vater.«
»Worüber?« fragt er. »Über die Blicke, die du Alice zuwirfst. Findest du nicht, daß das ein bißchen zuviel ist? Wie geschmacklos kann man eigentlich sein?«
»Geschmacklos? Hast du etwa das Recht, von Geschmack zu reden, das Gesicht grünbemalt wie eine Fünfzehnjährige?« Sie wirkt zornig; er hat einen Volltreffer gelandet. Sie erwidert: »Ich finde nur, daß man im Alter von 82 Jahren mehr Sinn für Anstand besitzen sollte. Du starrst der Frau deines eigenen Enkels unablässig in den Ausschnitt.« Martin seufzt. »Laß mir das doch, Martha. Das ist alles, was ich noch habe.«
Er ist im Büro und mit komplizierten Verhandlungen beschäftigt, als seine Autosekretärin summt und mitteilt, er werde von Mr. Friesling im Büro der ›Temponautik GmbH‹ am Union Plaza verlangt. Ted ist verwundert; was wollen diese Zeitmaschinen-Leute von ihm? Ihn als Kunden gewinnen? »Sag ihm, daß ich an Zeitreisen nicht interessiert bin«, sagt Ted. Aber Augenblicke später summt die Autosekretärin wieder. Mr. Friesling, so erklärt sie, erkundige sich nach Mr. Porters Kreditwürdigkeit. Verblüffter noch als zuvor, läßt Ted den Anruf durchstellen. Mr. Friesling erscheint auf seinem Schreibtisch-Bildschirm. »Ich bitte die Störung zu entschuldigen, Mr. Porter«, beginnt er. »Das ist eine ganz normale Kreditprüfung, aber unbedingt nötig. Wie Sie sicherlich wissen, hat Ihre Frau die Anmietung unserer Anlage für
Weitere Kostenlose Bücher