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lächelt verschlagen. »Das nennt man ein Panchronicon«, sagt er. »Es liefert eine Art TV-Rekonstruktion alter Zeiten. Der Vertreter hat mir ein Vorführgerät geliehen.« Sie sagt: »Wie funktioniert das?«
»Stell dich hinein«, sagt er. »Es ist alles bereit für dich.« Sie will in die Maschine treten, zögert aber plötzlich voll Argwohn. Er stößt sie hinein und klappt die Tür zu. Wumm! Die Steuerung ist eingestellt. Und Alice ist unterwegs auf einer Reise in die Eiszeit. Die Maschine ist darauf eingestellt, zurückzukehren, sobald sie sie abgesetzt hat. Kein Mord, oder? Sie lebt noch, wo sie auch sein mag, es sei denn, die Säbelzahntiger hätten sie erwischt. Leb wohl, Alice.
Am Morgen fährt sie Bobby und Tink in die Schule. Dann fährt sie an der Bank und bei der Post vorbei. Von zehn bis elf Uhr hat sie ihre regelmäßige Sitzung im Identitäts-Verstärkungs-Salon. Normalerweise würde sie gleich heimfahren, aber an diesem Vormittag schlendert sie durch das Einkaufszentrum zu dem Geschäft, das die Zeitmaschinen-Leute eben eröffnet haben. ›Temponautik GmbH.‹, sagt das Schild über der Tür. Der Laden ist leer bis auf zwei Maschinen, zweifellos Vorführgeräte, und einen lächelnden Verkäufer mit freundlichem Gesicht. »Hallo«, sagt Alice nervös. »Ich wollte mich nur über die Mietkosten für eine Ihrer Maschinen informieren.«
Martin stellt sich gerne vor, daß Alice ihn an einem regnerischen Samstag nachmittag allein besucht. »Ted kann heute nicht kommen«, erklärt sie ihm. »Er mußte ins Büro. Aber ich wußte, daß du uns erwartest, und ich wollte dich nicht enttäuschen. Armer Martin, dein Leben muß ja so einsam sein.« Sie kommt ganz nah heran. Sie zittert. Er auch. Ihr Gesicht ist gerötet, ihre Augen glitzern mit dem unverwechselbaren Glanz des Begehrens. Auch er spürt sexuelle Erregung, zum erstenmal seit zehn oder zwanzig Jahren, diese Spannung in den Lenden, den pochenden Puls. Elektrizität. Chemie. Sein Blick hält den ihren fest. Ihre Nasenflügel blähen sich, ihre Lippen pressen sich zusammen. »Martin«, flüstert sie heiser, »fühlst du, was ich fühle?«
»Das weißt du«, sagt er. Sie sagt: »Wenn ich dich nur hätte kennen können, als du in deinen besten Jahren warst!« Er lacht leise. »Ich bin noch nicht senil«, ruft er triumphierend. Dann ist sie in seinen Armen, und seine Lippen suchen ihre duftenden Brüste.
»Ja, es war ein furchtbarer Schock für mich«, sagt Ted zu Ellie. »Daß sie einfach so verschwunden ist. Wie vom Erdboden verschluckt, soviel man feststellen kann. Man hat alles versucht, um sie zu finden, aber ohne jeden Erfolg.« Ellies makellose Stirn runzelt sich. »War sie unglücklich?« fragt sie. »Hältst du es für möglich, daß sie sich etwas angetan hat?« Ted schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht. Man lebt mit einem Menschen elf Jahre zusammen und glaubt, ihn gut zu kennen, und dann geschieht eines Tages etwas völlig Unbegreifliches, und du erkennst, wie wenig man einen anderen Menschen wirklich kennt. Findest du nicht?« Ellie nickt ernsthaft. »Ja, o ja, gewiß!« sagt sie. Er lächelt sie an und greift nach ihren Händen. Leise sagt er: »Sprechen wir nicht mehr über Alice, ja? Sie ist fort, und das ist alles, was ich je wissen werde.« Er hört ein pulsierendes, symphonisches Crescendo flimmernder Engelschöre, als er sie umarmt und flüstert: »Ich liebe dich, Ellie. Ich liebe dich.«
Sie zieht das schwere Bleirohr aus ihrer Handtasche, hebt es hoch und läßt es auf seinen Hinterkopf niedersausen. Wack. Der junge Martin bricht sofort zusammen, zuckt einmal, erschlafft. Dunkles Blut dringt durch seine dichten, blonden Locken. Wie seltsam, Martin mit goldblondem Haar zu sehen, denkt sie, als sie neben ihm niederkniet. Sie legt die Hand auf die blutende Stelle, tastet vorsichtig, spürt die tiefe Einbuchtung. Ist er tot? Sie weiß es nicht genau. Er bewegt sich nicht. Er scheint nicht zu atmen. Sie fragt sich, ob sie noch einmal zuschlagen soll, zur Sicherheit. Dann fällt ihr etwas ein, was sie im Fernsehen gesehen hat, und sie zieht den Spiegel aus der Tasche. Hält ihn vor sein Gesicht. Kein Hauch. Das ist ziemlich eindeutig: du bist tot, Martin. RIP, Martin Jamieson, 1923-1947. Das bedeutet, daß Martha Jamieson Porter, 1948 – . nun nie gezeugt wird, und das löscht automatisch die Existenz ihres Sohnes Theodore Porter, 1968 -. Nicht schlecht gemacht, Alice, den ungeliebten Mann und die unsympathische, nörgelnde
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