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Jetzt Plus Minus

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Titel: Jetzt Plus Minus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mit betroffener Miene und verlegener Stimme: »Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß es einen Irrtum gegeben hat, Mr. Porter. Die Techniker wußten offenbar nichts davon, daß eine Kreditüberprüfung im Gange war, und sie haben Mrs. Porter auf ihre Reise geschickt, während wir noch im Gespräch waren.« Ted ist erschüttert. Er umklammert die Schreibtischkante. Er nimmt sich mühsam zusammen und fragt: »Wie weit zurück wollte sie gehen?« Friesling antwortet: »Ins Jahr 1947. Neunundfünfzig Jahre zurück.« Ted nickt grimmig. Ihm ist ein schrecklicher Gedanke gekommen. 1947 war das Jahr, in dem sich die Eltern seiner Mutter kennenlernten und heirateten. Was hat Alice vor?
    Es läutet. Martin, frisch geduscht, liegt nackt auf seinem Bett und blättert in der neuen Ausgabe des ›Esquire‹, während er überlegt, ob er essen gehen soll. Er erwartet keinen Besuch. Er zieht den Bademantel an und geht zur Tür. »Wer ist da?« ruft er. Eine jugendliche Frauenstimme erwidert: »Ich suche Martin Jamieson.« Na, okay. Er öffnet die Tür. Sie ist vielleicht 27 oder 28 Jahre alt, sehr sexy, schlank, aber gut gebaut. Schwarze Haare, seltsam kurz geschnitten. Er hat sie noch nie gesehen. »Hallo«, sagt er. Sie strahlt ihn an. »Sie kennen mich nicht«, sagt sie, »aber ich bin eine Freundin von einer alten Freundin von Ihnen. Mary Chambers? Mary und ich sind zusammen in – äh – Ohio aufgewachsen. Ich bin zum erstenmal in New York, und Mary hat mir einmal gesagt, wenn ich je nach New York käme, sollte ich unbedingt Martin Jamieson aufsuchen, und so – darf ich hereinkommen?«
    »Na klar«, sagt er. Er erinnert sich an keine Mary Chambers aus Ohio. Aber, na schön, manchmal vergißt man auch jemand. Na und?
    Er ist viel attraktiver, als sie erwartet hat. Sie hat Martin immer nur als alten Mann gekannt, abstoßend vor allem durch seine primitive Geilheit. Eingefallene Brust, gebückte Schultern, faltiges Gesicht mit hängenden Backen, schüttere weiße Haarsträhnen, verblaßte blaue Augen – ein Wrack von einem Mann. Aber dieser Martin unter der Tür ist kräftig, gutaussehend, unberührt von der Zeit, überquellend von Leben und Kraft und Männlichkeit. Sie denkt an das Lasermesser in ihrer Handtasche und verspürt echtes Bedauern darüber, daß sie diesen robusten Jungen in seinen besten Jahren töten muß. Aber so eilig ist das ja nicht, oder? Zuerst können wir einander genießen, Martin. Und dann der Laser.
    »Wann wird sie zurückerwartet?« fragt Ted scharf. Friesling erklärt, daß alle Zeitbegriffe relativ und flexibel sind; was die in der Jetztzeit abgelaufene Zeit angeht, ist sie schon zurückgekommen. »Was?« brüllt Ted. »Wo ist sie?« Friesling weiß es nicht. Sie trat aus der Maschine, verabschiedete sich freundlich und verließ den Verkaufsraum. Ted legt die Hand an die Kehle. Wenn sie Martin nun schon umgebracht hat? Werde ich einfach aufhören zu existieren? Oder gibt es eine Verzögerung, so daß ich langsam in den nächsten Tagen verblassen werde? »Hören Sie«, sagt er rauh, »ich verlasse sofort mein Büro und bin in weniger als einer Stunde bei Ihnen. Ich möchte, daß Sie Ihre Maschine vorbereiten, damit sie mich genau zu dem Punkt in Zeit und Raum befördert, wo Sie eben meine Frau hingeschafft haben.«
    »Aber das wird nicht möglich sein«, wendet Friesling ein. »Es dauert Stunden, einen Kunden richtig auf alles –« Ted schneidet ihm das Wort ab. »Bereiten Sie alles vor, auf das andere verzichte ich«, faucht er. »Außer Sie legen Wert darauf, eine der größten Schadensersatzklagen auf den Tisch zu bekommen, die es je gegeben hat.«
    Er öffnet die Tür. Das Mädchen im Flur ist jung und hübsch, mit kurzgeschorenem, schwarzem Haar und vollen Lippen. Danke, Mary Chambers, wer du auch sein magst. »Entschuldigen Sie den Bademantel«, sagt er, »aber ich habe nicht mit Besuch gerechnet.« Sie betritt seine Wohnung. Plötzlich fällt ihm auf, wie angespannt und verkrampft ihr Gesicht ist. Provinzlerin aus Ohio, die plötzlich Bedenken bekommt, einen fremden Mann in einer fremden Stadt zu besuchen? Er versucht, es ihr zu erleichtern. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« fragt er. »Die Auswahl ist leider nicht groß, aber ich habe Scotch, Gin, Brombeerlikör –« Sie greift in die Handtasche und zieht etwas heraus. Er zieht die Brauen zusammen. Nicht eigentlich eine Pistole, aber es scheint eine Waffe zu sein, ein kleines, glitzerndes Metallgerät, das genau in ihre Hand

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