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Jetzt Plus Minus

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Titel: Jetzt Plus Minus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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überstanden.‹
    Ich fühle mich beruhigt, weil ich weiß, daß ich nur eine statistische Zahl in einem längst bestehenden Muster paranormalen Verhaltens bin. Niemand hält sich gerne für eine Mißgeburt, selbst wenn er eine ist. Da bin ich, jungfräulich, eulenhaft, sonderbar, altklug, nervös, unsicher, schüchtern, schlau, gesellschaftlich ungeschickt, durch alle Probleme der unmittelbar nach-pubertären Jahre stolpernd. Ich habe Pickel und nächtliche Ergüsse und den dünnen Flaum, den man nicht zu rasieren braucht, aber ich rasiere ihn trotzdem. Cindy Klein hält mich für albern und widerlich. Und ich habe diesen heißen Kern von Zorn und Enttäuschung in mir, der mein großer Fluch und meine große Überlegenheit ist. Ich bin ein Poltergeist, Mann. Los, mach es mir schwer, lach über mich, nenn mich albern und widerlich. Das nächstemal setze ich dich vielleicht nicht nur auf den Hintern. Das nächstemal schaffe ich dich vielleicht auf Pluto.
    Heute eine unausweichliche, demütigende Begegnung mit Cindy. Mittags gehe ich zu ›Schindler‹, um mein übliches belegtes Brot mit Schinken und Tomate zu essen; ich setze mich in eine der hinteren Nischen, schlage ein Buch auf, und jemand sagt: »Harry«, und da sitzt sie in der Nische gegenüber, mit drei Freundinnen. Was mache ich? Soll ich aufstehen und hinauslaufen? Sie in den nächsten Bezirk schleudern? Schon spüre ich, wie die Macht sich in mir regt. Mrs. Schindler bringt mir mein Brot. Ich sitze fest. Ich kann es nicht ertragen, hierzubleiben, Ich gebe ihr das Geld und murmle: »Fällt mir eben ein, muß telefonieren.« Mit dem Sandwich in der Hand gehe ich und grinse Cindy schief an. Sie starrt mir ins Gesicht. Ihre tiefen grünen Augen erschrecken mich.
    »Warte«, sagt sie. »Kann ich dich etwas fragen?« Sie schiebt sich aus der Nische und versperrt mir den Weg. Sie ist fast so groß wie ich, und ich bin ziemlich groß. Gott im Himmel, Cindy, halt mich nicht in einer Falle fest, ich bin nicht verantwortlich für das, was ich tue.
    Sie sagt leise: »Gestern in der Bio-Stunde, als das Bild an die Tafel knallte. Das warst du, nicht?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du hast es durch das Zimmer fliegen lassen.«
    »Das ist unmöglich«, murmle ich. »Wofür hältst du mich, für einen Zauberer?«
    »Ich weiß nicht. Und Samstag abend, die blöde Szene vor meinem Haus –«
    »Ich möchte lieber nicht darüber reden.«
    »Aber ich. Wie hast du das mit mir gemacht, Harry? Wo hast du den Trick gelernt?«
    »Trick? Hör mal, Cindy, ich muß unbedingt weg.«
    »Du hast mich umgeworfen. Du hast mich einfach angesehen, und ich habe einen Stoß gespürt.«
    »Du bist gestolpert«, sage ich. »Du bist einfach hingefallen.« Sie lacht. Im Augenblick scheint sie etwa neunzehn zu sein und ich neun.
    »Mach mir nichts vor«, sagt sie gedehnt. Ihre Freundinnen starren uns an und versuchen mitzuhören. »Hör zu, das interessiert mich. Ich möchte wissen, wie du das machst.«
    »Da gibt es nichts zu wissen«, sage ich, und plötzlich weiß ich, daß ich entkommen muß. Ich gebe ihr einen ganz kleinen Stoß, natürlich, ohne sie zu berühren, und sie spürt ihn und weicht zurück, und ich stürze an ihr vorbei und stopfe das Brot in den Mund. Ich flüchte aus dem Lokal. An der Tür schaue ich mich um und sehe sie lächeln, mir zuwinken und rufen, ich solle zurückkommen.
    Ich habe ein reiches Phantasieleben. Manchmal bin ich ein Filmstar, 22 Jahre alt, mit einem Haus in Hollywood, und ich gebe Feste, zu denen Peter Fonda und Dustin Hoffman und Julie Christie und Faye Dunaway kommen, und wir werden alle erregt und ziehen uns aus und schwimmen in meinem Schwimmbecken, und dann treibe ich es mit fünf oder sechs Starlets gleichzeitig. Manchmal bin ich ein berühmter Romanschriftsteller, der Verfasser eines Buches, das wirklich alles zusammenfaßt und für meine Generation spricht, und ich stehe im ›Brentano’s‹ in einem glitzernden Science Fiction-Gewand und schreibe Tausende von Autogrammen, und danach gehe ich in mein Penthouse, hoch über der First Avenue, und treibe es mit einer wunderschönen jungen Lektorin. Manchmal bin ich ein großer Wissenschaftler, vier Jahre nach dem Medizinexamen, und schon berühmt für meine Forschungen auf dem Gebiet der genetischen Umprogrammierung ungeborener Kinder, und als ich am Telefon erfahre, daß ich den Nobelpreis erhalten habe, komme ich gerade zum dritten Höhepunkt des Abends mit einer berühmten Opernsängerin, die sich einen

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