Jetzt Plus Minus
Sohn von mir wünscht, der Caruso übertreffen soll. Und manchmal – Aber warum weitererzählen? Das ist alles Phantasiewelt. Und solche Erfindungen sind dumm, weil sie einen dazu verleiten, sich das ganze Leben etwas vorzumachen, statt sich der Wirklichkeit zu stellen. Denk an die Wirklichkeit, Harry. Denk an den wahren Harry Blaufeld. Der wahre Blaufeld ist ein pickeliges, ungeschicktes, naives Wesen, das mit allen Molekülen seines mageren Körpers schreit, daß er noch nicht fünfzehn ist und es noch nie mit einem Mädchen getrieben hat und nicht weiß, wie er es anstellen muß, und schreckliche Angst davor hat, daß es nie dazu kommen wird. Verrühre zu gleichen Teilen Begehren und Selbstmitleid. Gib einen Spritzer Untüchtigkeit und einen Löffel Unsicherheit dazu. Würze leicht mit übersinnlichen Kräften. Du bist weit weg von Hollywood, mein Junge.
Gibt es einen Weg, meine Gabe zum Wohl der Menschheit zu zügeln? Was ist, wenn alle diese gräßlichen Kraftwerke, die schwarzen Rauch ausspucken, für immer geschlossen werden könnten und der Energiebedarf der ganzen Welt von einem ausgebildeten Korps jugendlicher Poltergeister befriedigt werden würde, von Freiwilligen, die ein mönchisches Dasein führen und ihre siedenden sexuellen Spannungen als den Treibstoff verwenden, der die Turbinen rotieren läßt? Oder vielleicht möchte die NASA ein poltergeistgetriebenes Raumschiff. Da bin ich, schlank und braungebrannt und leger, eine gutaussehende Gestalt in meinem weißen Astronautenanzug; ich nehme meinen Platz in der Steuerkapsel von ›Mars 1‹ ein. T minus dreißig Sekunden, Countdown läuft. Eine erregte Welt wartet auf den großen Augenblick. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Start. Und ich zeige mein weltberühmtes Grinsen und sammle kühl meine Kraft, gebe innerlich Gas und schiebe, und das mächtige Raumfahrzeug erhebt sich, schwebt einen Augenblick ruhig über dem Startplatz, steigt empor, wie eine Riesennadel durch den eisblauen Himmel von Florida, fegt hinauf und hinaus auf der ersten Reise des Menschen zum roten Planeten…
Ein anderes Experiment ist fällig. Ich werde versuchen, eine Bierdose auf den Mond zu schicken. Wenn ich das kann, müßte ich auch ein Raumschiff schicken können. Ein einfacher Newtonscher Prozeß, eine Frage der Fluchtgeschwindigkeit; ich glaube nicht, daß der Schub eine bestimmende qualitative Funktion hat. Ein Stoß ist ein Stoß ist ein Stoß, und bis jetzt habe ich keine Begrenzungen der Masse entdecken können; wenn ich es also mit einer Bierdose schaffe, müßte es mir gelingen, jede beliebige Masse in den Weltraum zu schleudern.
Glaube ich. Jedenfalls suche ich im Abfall zu Hause und gehe mit einer zusammengedrückten Dose hinaus. Eine milde, neblige Nacht; der Mond ist nicht sichtbar. Egal. Ich stelle die Dose auf den Boden und betrachte sie. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Start. Ich zeige mein weltberühmtes Grinsen. Ich sammle kühl meine Kraft und gebe innerlich Gas. Schiebe. Ja, die Bierdose erhebt sich. Sie schwebt einen Augenblick lang ruhig über dem Pflaster. Steigt empor und fliegt hinauf, überschlägt sich. Hinauf. Hinauf. In die Dunkelheit. Lange, nachdem sie verschwunden ist, schiebe ich immer noch. Besteht noch Kontakt? Steigt sie noch? Ich kann es nicht sagen. Mir fehlen die Ortungsstationen. Vielleicht fliegt sie weiter durch die einsame Leere, auf einer perfekten Mondbahn. Oder sie ist schon heruntergefallen, eine Straße weiter, und hat einen bedauernswerten Polizisten getroffen. Achselzuckend gehe ich ins Haus zurück. Soviel über meine Laufbahn als Raumfahrer. Blaufeld, du hast wieder eine dumme Phantasievorstellung geliefert. Blaufeld, wie kannst du es ertragen, so ein Trottel zu sein?
Klickety-klack. Vier Uhr früh, und Sara kommt eben von ihrem Rendezvous zurück. Und ich liege wach wie ein sorgenvoller Vater. Die Eltern selbst machen sich keine Sorgen: sie schlafen fest, möchte ich wetten, und kümmern sich nicht darum, wann ihre Tochter heimkommt. Während ich brüte. Heute nacht war sie wieder an der Reihe, kein Zweifel. Vielleicht sogar zweimal. Grimmig versuche ich, in meiner Vorstellung alles zu rekonstruieren. Die Stellungen, das Keuchen und Stöhnen. Wie oft hat sie es nun schon gemacht? Hundertmal? Dreihundertmal? Angefangen hat sie bestimmt schon mit sechzehn. Davon bin ich überzeugt. Für Mädchen ist es ja viel einfacher; sie brauchen nicht zu jagen und zu überreden, sie brauchen nur ja zu sagen. Sara sagt oft ja. Vor Jimmy,
Weitere Kostenlose Bücher