Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
einen Schluck zu trinken, bevor er anfangen konnte, Fragen zu stellen. Die Fragen kamen ganz von selbst und zwar in Gestalt meines Bruders, der sich plötzlich aus dem Schlamm materialisierte. »Was willst du denn mit der Kajal-Schwuchtel?«, fragte Henning, der, was seine Schwestern angeht, gerne mal den Moslem spielt. »Geh und verteidige dein Dixie-Klo, sprechender Fels in Armeejacke«, antwortete ich. »Ich hab hier was zu erledigen.« Ich gab ihm unmissverständliche Zeichen, indem ich mit fünf Kondomen jonglierte. Mein Bruder tat so, als sehe er nichts, aber vielleicht sah er wirklich nichts, da Schlamm seine Brille verklebte. »Du willst was von meiner Schwester«, fragte er Kotzi, die muskelbepackten Arme vor der Brust verschränkt. »Und wo ist mein Kasten Bier?« »Geh und verteidige dein Dixie-Klo, Henning«, sagte ich, brüllte das Losungswort und zerrte Kotzi durch das Loch im Stacheldraht zu unserem Aufenthaltszelt, wo alle anderen Duisburger & friends beim Essen saßen. Kotzi öffnete zur Begrüßung ein Nutellaglas, rülpste rein und schraubte den Deckel wieder zu. Nicht mal Frans Bauers »Heb Je Even Voor Mij« übertönte das nachfolgende Schweigen. Alle hatten aufgehört zu essen und starrten Kotzi an. Der suchte einen eleganten Ausweg aus der Situation, öffnete seine Hose und deutete durch Gartenschlauch-Gestik an, dass er gerne urinieren würde. Hilfsbereit schubste Ansgar Kotzi in Richtung Dixie-Klo. Diesmal stank Ansgar nach Schwefel. Kotzi wankte los, wir beglotzten uns schweigend und meine Schwester zählte vergnügt »21, 22, 23«.
Bei »23« stürmten wir aus dem Zelt und genossen die Show, die später als »Dixie-Gau« in Wackens Analen eingehen sollte: Kotzi, der mit offener Hose von Explosion zu Explosion hüpfte und sich schließlich am Klo festklammerte. Der gigantische Funke aus Hennings Megaknallfrosch, der die Gase des wohlgefüllten Tanks entzündete. Das Dixie, das mit einem Kometenschweif aus brennendem Durchfall in den samtschwarzen Himmel abhob. Der rittlings drauf hockende Kotzi und seine flatternden Haare, durch die die Sterne funkelten, ein Moment der Romantik, der erst zerstört wurde, als die Schwerkraft siegte und das fliegende Dixie mitsamt Kotzi zum Boden zurückkehrt e – und mit erstaunlicher Präzision den Stromgenerator im Erdloch traf. Der Rest ist Schweigen: der angesengte Kotzi, der im Schweinsgalopp unser Lager verließ, begleitet von Andrea Bergers »Geh doch, wenn du sie liebst«, bis unsere nunmehr stromlose Anlage verschied. Begleitet von den ekstatischen Jubelrufen unserer Nachbarn, die den Niedergang des Schlagers feierten, kehrten wir ins Zelt zurück, füllten die Formulare für den Versicherungsbetrug aus und warteten, dass sich unsere Hörner wieder unter die Schädeldecke zurückzogen und der Klumpfuß schrumpfte. »Wird Zeit, dass du mal einen ordentlichen Mann findest«, sagte Ivy, »eigentlich siehst du noch ganz gut aus für dein Alter. Naja, bis auf die Nase. Geben die immer noch Hai-Alarm, wenn du Rückenschwimmen gehst? Was soll’s. Dein Bruder sieht genauso aus. Und den hab ich ja auch lieb.«
»Ja, ja«, nickte mein Bruder und seine Nase nickte auch, »aber mach dir keine Sorgen, falls du keinen Mann findest, du hast ja uns.«
Köln, 3 . September, Geburtstag, Mist-Laune
Urlaub wird doch völlig überbewertet. Ob ich dieses Jahr mit den Rockern besser gefahren bin als mit den Esoterikern, weiß ich auch nicht. Im Grunde sind sie doch alle gleich, diese Randgruppen. So anstrengend anders. Irgendwie bin ich auch älter und reifer geworden. Beim großen Ins-Dixie-Klo-Rein-Fotografieren-Wettbewerb hab ich zum ersten Mal gekniffen. Und an Kotzi ist nicht mehr zu denken, sonst wäre mein Freund traurig. Die Urlaubsbilanz fällt dieses Jahr sehr mager aus.
Bin so knietief im Dispo, dass Wegfahren sowieso dieses Jahr nicht mehr drin ist. Außer der Sheriff lädt uns im Dezember in den Skiurlaub ein, mal gucken. Ach, wozu wegfahren. Eine Menge Touristen kommen im Sommer nach Köln. Ich könnte Tourist in Köln spielen, den Dom angucken, sogar raufklettern, was nur die wenigsten Kölner je getan haben! Man kommt sich ja auch albern vor in siebenundneunzig Meter Höhe zwischen lauter Schwaben: »Wosch desch all koscht hätt!« Andererseits könnte ich natürlich trotzdem zum Dom fahren, die Kollekte klauen und anschließend die Cents der Schwaben im Biergarten des Aachener Weihers versaufen. Dabei die jungen Menschen betrachten, die sich auf
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