Jezebel
er in die Höhe steigen.
»Warum sagst du es nicht, Großmutter?«
»Verdammt noch mal!« zischte die Frau. »Du hast wieder von deinem Zeug gegessen.«
»Welches Zeug?«
»Das weißt du genau!«
»Nein.«
»Ich habe es doch gesehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Und es ekelt mich an. Von den Käfern und Würmern, die du in deinem Zimmer züchtest.«
»Na und?«
»Was heißt na und? Jeder im Ort weiß, was mit dir los ist. Dein Großvater und ich haben verdammt unter deiner Existenz zu leiden. Wir werden ebenfalls angefeindet, und ich weiß nicht, ob wir das noch lange durchstehen können.«
Susan schob den Kuchen von sich. »Ich tue doch nichts«, erklärte sie.
»Ich habe nur ein Hobby.«
»Vor dem man sich ekeln kann!« zischte Erica Wade. Sie verzog das Gesicht. »Das ist einfach widerlich. Ich weiß nicht, weshalb man so etwas tun kann. Wenn deine Eltern noch lebten und nicht verunglückt wären, glaube ich nicht, daß sie das zugelassen hätten. Aber dein Großvater und ich fühlen uns für dich verantwortlich, und wir sind auch zu einer Entscheidung gelangt.«
Beim Zuhören hatte sich das Gesicht des Mädchens verdüstert. »Was für eine Entscheidung ist das denn?«
»Wir möchten, daß du dieses ›Hobby‹ aufgibst. Wir haben nichts dagegen, daß du dich mit Insekten beschäftigst, aber bitte nicht auf diese Weise. Du kannst dir Bücher kaufen, du kannst dir meinetwegen auch präparierte Käfer oder Schmetterlinge in dein Zimmer stellen, aber alles andere ist ab morgen nicht mehr erlaubt. Wir werden deine lebenden Tiere verschwinden lassen, darin sind wir uns einig. Und es gibt kein Zurück mehr. Zu lange haben wir den Arger hinnehmen müssen. Dein Großvater und ich werden im Ort schon wie Aussätzige behandelt. Man spricht kaum noch mit uns. Beim Kaufmann werden wir behandelt wie Menschen zweiter Klasse, und das alles nur wegen dir. Das machen wir nicht länger mit. Wie oft haben sich deine Lehrer über dich beschwert, daß du deine sogenannten Freunde mit in die Schule gebracht und sie während des Unterrichts gegessen hast. Nein, Susan, das ist vorbei. Entweder fügst du dich – oder…«
Die Worte der Frau waren versickert. Zudem mußte Erica Wade husten.
Danach trank sie hastig einen Schluck Kaffee.
Susan hatte zugehört und ihre Großmutter mit keinem Wort unterbrochen. Nur ihre Hände waren in Bewegung. Sie hielt die Finger gekrümmt und tappte mit den Spitzen auf dem Tisch herum, als wollte sie so das Laufen eines Käfers nachahmen.
»Hast du mich verstanden, Susan?«
»Ja.«
»Und was sagst du dazu?«
Susan lächelte falsch. »Du hast noch etwas vergessen, Großmutter.«
»Was denn?«
»Du hast oder gesagt.«
»Ja, das stimmt«, gab die Frau zu.
Susan bewegte die Hände noch immer, um Erica Wade nervös zu machen. »Was ist, wenn ich es nicht will, was ihr von mir verlangt? Was macht ihr dann?«
Erica Wade holte tief Luft. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet.
Sie bewies ihr, wie abgebrüht Susan schon war. Ihr war zu lange der Wille gelassen worden.
»Dann werden wir gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen«, erklärte sie. »Das sage ich auch im Namen deines Großvaters.«
»Welche Maßnahmen?«
»Du wirst schon sehen…«
Susans Hände lagen still. »Das alles ist eine Drohung, das weißt du.«
Erica Wade schüttelte den Kopf. »Nein, es ist keine Drohung, sondern mehr eine erzieherische Maßnahme. Wir beide wollen dich vor Unheil und Übel bewahren.« Ihre Stimme nahm einen sanfteren Klang an. »Das mußt du doch verstehen, Kind?«
Susan überlegte. Sie zog ihre dunklen Augenbrauen zusammen. »Vor Übel bewahren.«
Sie lachte, und es klang schaurig, so daß ihre Großmutter eine Gänsehaut bekam. »Nein, ich verstehe das nicht, denn so, wie ich lebe, bin ich glücklich. Alles andere kannst du vergessen, und ich werde meine Lieblinge behalten.«
»Bitte? Lieblinge? So nennst du diese Insekten? Das ist einfach widerlich.«
»Für dich, nicht für mich.«
Erica Wade beugte sich vor. »Es ist mir egal, was du denkst oder was du tust. Ich sage dir nur, daß dein Großvater und ich zu diesem Entschluß gelangt sind. Wenn du mir nicht glaubst, dann sicherlich Melvin, der leider erst spät am Abend nach Hause kommt. Aber er wird dir das gleiche sagen wie ich. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Schön.« Erica Wade trank von ihrem Kaffee, der beinahe kalt geworden war und bitter schmeckte. »Ich habe dir schon jetzt alles
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