JFK -Staatsstreich in Amerika
entwichen.
In Wahrheit – und mit Fakten
belegbar – arbeiteten nämlich nicht die Kennedy-Brüder an geheimen
Invasionsplänen, sondern die kalten Krieger in den Hauptquartieren der CIA und
des Pentagon – und dies mit einer tatsächlichen Besessenheit, wie die Perfidie
eines Geheimplans zeigt, den sie Kennedys Verteidigungsminister Robert McNamara
im März 1962 vorlegten. Der vom Generalstab des Pentagon verfasste und vom
Chief of Staff, General Lemnitzer, unterzeichnete Plan unter dem Codenamen
Operation Northwoods schlug vor, durch inszenierte Terroranschläge unter
falscher Flagge einen Vorwand für eine Kuba-Invasion zu schaffen. »Im Namen des
Antikommunismus schlugen die Militärs einen geheimen und blutigen Terrorkrieg
gegen ihr eigenes Land vor, um die amerikanische Öffentlichkeit für den
irrwitzigen Krieg zu gewinnen, den sie gegen Kuba führen wollten«, schreibt
James Bamford, der die im Rahmen des Freedom of Information Act erst 1998
freigegeben Dokumente der Operation Northwoods veröffentlichte. 28
Unter anderem schlugen die Generäle
in ihrer detaillierten Ausarbeitung die Inszenierung »kommunistischer«
Terroranschläge in Miami und Washington vor, die Versenkung eines
amerikanischen Passagierschiffs vor der kubanischen Küste und den Angriff und
Abschuss von Zivilflugzeugen durch mit kubanischen Hoheitszeichen bemalte
Kampfjets. Zu Letzterem hielten sie fest, dass gefälschte »Opferlisten in
amerikanischen Zeitungen für eine hilfreiche Welle nationaler Empörung sorgen
würden«, zudem könnte mit der Veröffentlichung »vorbereiteter Dokumente« die
Verantwortung Kubas für die Terrorattacken belegt werden.
Als David Talbot den damaligen
Verteidigungsminister kurz vor seinem Tod nach diesem Plan fragte, konnte sich
McNamara daran nicht mehr konkret erinnern, war sich aber »verdammt sicher«,
ihn umgehend vom Tisch gewischt zu haben. Ein Adjutant General Lemnitzers
erinnerte sich allerdings »an die erstaunliche Arroganz« McNamaras, der den
General »wie einen Schuljungen« behandelt habe. Präsident Kennedy schob
Lemnitzer wenige Monate später zum NATO-Kommando nach Europa ab und ernannte
den weniger säbelrasselnden Maxwell Taylor zum Leiter des Joint Chiefs of
Staff. Die Operation Northwoods verschwand als Top-Secret in der Versenkung,
bis sie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wieder zitierfähig wurde,
als Zweifel an der offiziellen Darstellung der Ereignisse (»Osama war’s!«)
gemeinhin mit dem Hinweis gekontert wurden, dass es doch unvorstellbar sei, als
Vorwand für einen Krieg die eigenen Bürger zu opfern. Doch wäre es nach dem
Willen von CIA und Pentagon gegangen und hätte John F. Kennedy die Operation
Northwoods nicht abgelehnt, wäre ein solcher Terror unter falscher Flagge schon
1962 Realität geworden.
Dass die Umsetzung ihrer Pläne
äußerst fatale Folgen hätte nach sich ziehen können, war aber selbst den
zynischsten Militärs noch nicht bewusst, als sie diese perfide Operation
planten. Denn unbemerkt von den USA hatte die Sowjetunion nach dem
Schweinebucht-Debakel begonnen, Raketen auf Kuba zu stationieren. Im Juli 1962
fielen den Amerikanern erstmals zahlreiche sowjetische Frachtschiffe auf, die
auf Kuba militärisches Material entluden, im August ließ Fidel Castro bei einer
Militärparade erstmals die neuen MiG-Kampfjets seiner Luftwaffe vorführen, im
September bekamen die USA davon Kenntnis, dass sich unter dem neuen
Militärmaterial auf Kuba auch Raketen befanden. Ob es sich dabei um defensive
Luftabwehrraketen oder offensive Mittelstreckenraketen handelte, war unklar,
bis die Fotos aus einem U-2-Aufklärungsflugzeug am 19. Oktober letztere
belegten. Damit begannen zehn Tage, die viele Historiker später als die
gefährlichsten der Menschheit bezeichnet haben: Die USA und die Sowjetunion
standen am Rande eines Nuklearkriegs.
Da Kennedy im Cabinett Room des
Weißen Hauses eine diskrete Abhöranlage installiert hatte – um alles dort
Besprochene und Beschlossene zweifelsfrei festzuhalten, falls wie nach der
Schweinebucht-Debatte von den Beteiligten anderslautende Äußerungen an die
Öffentlichkeit gebracht werden würden –, sind die Diskussionen über die
Raketenkrise sehr gut dokumentiert. 29 Und sie zeigen den nunmehr gewandelten kalten Krieger Kennedy umringt von
einstigen Gesinnungsgenossen, die ihn allesamt und massiv unter Druck setzen,
die Raketenbasen vor der amerikanischen Haustür umgehend zu bombardieren, in
Kuba einzumarschieren
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