JFK -Staatsstreich in Amerika
Debakel
endete. Er hatte die Kubakrise hinter dem Rücken seiner Militärs und
Nachrichtendienste durch einen geheimen Notenwechsel mit Chruschtschow gelöst.
Er hatte ähnlich diskret begonnen, mit Fidel Castro, dem revolutionären Feind
vor der eigenen Küste, zu einer Verständigung zu kommen, und so die
Rückeroberungspläne der militanten Kommunistenjäger und der rechtsgerichteten
Exilkubaner in seinem Land endgültig sabotiert. Er hatte einige der
säbelrasselnden Vertreter im Generalstab durch moderatere Generäle ersetzt, die
Hauptverantwortlichen für das Schweinebucht-Abenteuer – Allen Dulles und Richard
Bisell – entlassen, die Durchführung verdeckter Operationen unter stärkere
Kontrollen gestellt, eine Kürzung des CIA-Budgets verfügt und den Top-Agenten
William Harvey abberufen, der auch nach dem Stopp der Operation Mongoose
unbeirrt weiter militante Aktionen gegen Kuba durchführen ließ. Er hatte zudem
die rassistischen Weißen in den Südstaaten gegen sich aufgebracht, als er mit
Hilfe der Nationalgarde die Einschreibung von James Meredith, des ersten
schwarzen Studenten, an der Universität Mississippi durchsetzte und den
rechtsradikalen General Edwin Walker, der die Proteste dagegen anführte, in
Haft nehmen ließ.
Und auch in einer ganz anderen
Weltgegend, in Südostasien, hatte sich Kennedy für seine Gegner als Schwächling
und Kommunistenfreund erwiesen. Er hatte mit Chruschtschow eine Vereinbarung
über die Neutralität von Laos getroffen sowie den ständigen Forderungen der CIA
und der Militärs widerstanden, Kampftruppen nach Vietnam zu schicken.
Stattdessen hatte er die dortigen amerikanischen Aktivitäten auf die
Anwesenheit von Militärberatern beschränkt und seinen Generälen – zu deren
Entsetzen – aufgetragen, einen langfristigen Plan für den kompletten Rückzug
aus Vietnam vorzulegen. Als Verteidigungsminister McNamara dies Paul Harkins,
dem kommandierenden General des Militärberatungskommandos, bei einem Treffen in
Saigon im Mai 1962 mitteilte, fiel dem – so beschreibt McNamaras Berater George
Allen die Szene – »das Kinn fast auf die Tischplatte«. 1
Kennedys Entscheidung zum Abzug aus
Vietnam ist später von zahlreichen Historikern ignoriert oder sogar in Frage
gestellt worden, die die Eskalation des Kriegs durch seinen Nachfolger Lyndon
B. Johnson als konsequente Fortsetzung der von JFK begonnen Politik beschrieben
haben. Erst seit Mitte der 90er Jahre, durch die vom ARRB publizierten
Dokumente und die Veröffentlichung der Kennedy-Tapes, wurde Klarheit darüber
geschaffen, dass Kennedys Abzugspläne eindeutig und definitiv waren. 2
Das in etwa war die Situation, in
der sich John F. Kennedy befand, als er am 10. Juni 1963 vor der American
University in Washington seine aufsehenerregendste und neben der zwei Wochen
später gehaltenen »Ich bin ein Berliner«-Ansprache vor dem Schöneberger Rathaus
bekannteste Rede hielt. 3 Wir wollen daraus im Folgenden ausführlich zitieren, weil hier der Wandel des
Präsidenten vom realpolitischen Rhetoriker der Konfrontationslogik zum Visionär
der Menschlichkeit und des globalen Friedens überaus deutlich wird. Was Kennedy
unter dem strahlend blauen Himmel dieses Tags verkündete und forderte, war
nichts anderes als eine völlige Transformation zur Zivilisierung, ein Ende des
Kalten Krieges:
»Ich habe diesen Zeitpunkt und diesen
Ort gewählt, um ein Thema zu erörtern, über das zu oft Unwissenheit herrscht
und bei dem die Wahrheit zu selten gesehen wird – und doch ist es eines der
wichtigsten Themen auf Erden: der Weltfrieden.
Welche Art von Frieden meine
ich? Nach welcher Art von Frieden streben wir? Nicht nach einer Pax Americana,
die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. Nicht nach dem
Frieden des Grabes oder der Sicherheit des Sklaven. Ich spreche hier von dem
echten Frieden – jenem Frieden, der das Leben auf Erden lebenswert macht, jenem
Frieden, der Menschen und Nationen befähigt, zu wachsen und zu hoffen und ein
besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen, nicht nur ein Friede für Amerikaner,
sondern ein Friede für alle Menschen. Nicht nur Frieden in unserer Generation,
sondern Frieden für alle Zeiten.«
Schon in seinen einleitenden
Worten machte Kennedy klar, dass es ihm hier um etwas anderes ging als um die
üblichen Friedensbekundungen, die Politiker permanent von sich geben, um nicht
als Unmenschen dazustehen. Es ging ihm um etwas Großes, Globales, Ganzes – um
einen Frieden
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