Jhereg
Dzurberg.«
»Aber … und du! Wie kannst du dich daran erinnern?«
»Sei nicht albern, Vlad. Natürlich durch Regression. In meinem Fall ist es die Erinnerung an vergangene Leben. Glaubst du denn, daß Reinkarnation nur ein Mythos ist oder ein Glaube, wie bei euch Ostländern?«
Während ich mit dieser Neuigkeit kämpfte, glühten ihre Augen seltsam.
»Ich habe es durch meine eigenen Augen gesehen – es noch einmal durchlebt. Ich bin da gewesen, Vlad, als Kieron von einem ehemaligen Dragon namens Dolivar in die Ecke gedrängt wurde, der einmal Kierons Bruder gewesen ist, bevor er Schande über sich und das ganze Volk gebracht hat. Dolivar wurde gefoltert und ausgestoßen.
Ich bin auch da mitschuldig, genau wie Sethra. Sethra sollte eigentlich dem Yendi die Sehnen durchschneiden, aber sie hat ihn verfehlt – absichtlich. Ich habe es gesehen, aber nichts gesagt. Vielleicht bin ich dadurch mitverantwortlich für den späteren Tod meines Bruders. Ich weiß es nicht …«
»Dein Bruder!« Langsam wurde es mir zuviel.
»Mein Bruder«, wiederholte sie. »Wir waren einmal eine Familie. Kieron, Dolivar und ich.«
Sie wandte sich mir zu, und mein Kopf drehte sich von ihren verworrenen Geschichten, die ich doch nicht als Wahnvorstellungen oder Sagen abtun konnte.
»Ich«, sagte sie, »war in jenem Leben Schamanin, und eine gute noch dazu, glaube ich. Ich war Schamanin und Kieron ein Krieger. Er ist immer noch da, Vlad, auf den Pfaden der Toten. Ich habe mit ihm gesprochen. Er hat mich wiedererkannt.
Wir waren drei. Die Schamanin, der Krieger – und der Verräter. Als Dolivar uns verraten hatte, sahen wir ihn nicht länger als Bruder an. Er war mit tiefster Seele ein Jhereg.
Mit tiefster Seele …«, wiederholte sie gedankenverloren.
»Ja«, sprach sie weiter, »›seltsam‹ ist das richtige Wort, um zu beschreiben, wie die Vererbung des Körpers mit der Reinkarnation der Seele zusammengeht. Kieron wurde nie wiedergeboren. Ich wurde in einen Körper geboren, der von dem Bruder meiner Seele abstammt. Und du –«, ich konnte ihren Blick nicht deuten, doch plötzlich ahnte ich, was kommen würde; ich wollte sie anschreien, es nicht zu sagen, aber durch die Jahrtausende hindurch war Aliera schon immer ein kleines bißchen schneller als ich, »– du wurdest ein Ostländer, Bruder.«
»DER FEHLER DES EINEN IST DIE GELEGENHEIT DES ANDEREN«
Eins, verdammt noch mal, nach dem andern.
Ich kehrte in mein Büro zurück und glotzte ein bißchen in die Gegend. Jetzt brauchte ich erst einmal Zeit, wahrscheinlich ein paar Tage, um diese Informationen zu verdauen. Statt dessen bekam ich nur ungefähr zehn Minuten.
»Vlad?« Das war Kragar. »He, Vlad!«
Ich schaute verwirrt auf. Etwas später sah ich ihn deutlich, er saß mir gegenüber und wirkte besorgt.
»Was ist denn?« fragte ich.
»Das hab ich mich auch gerade gefragt.«
»Häh?«
»Stimmt was nicht?«
»Nein. Doch. Zum Teufel, Kragar, ich weiß es nicht.«
»Das hört sich aber ernst an«, meinte er.
»Ist es auch. Mein Welt ist soeben einmal durchgeschüttelt worden, und ich kenne mich im Augenblick nicht aus.«
Dann lehnte ich mich zu ihm rüber und packte ihn am Kragen. »Nur eines, alter Freund: Wenn dir deine geistige Gesundheit lieb ist, dann führe niemals, unter keinen Umständen, ein offenes Vier-Augen-Gespräch mit Aliera.«
»Das hört sich echt ernst an.«
»Oh ja.«
Eine Weile saßen wir uns schweigend gegenüber. Dann sprach ich ihn an: »Kragar?«
»Ja, Boß?«
Ich mußte mir auf die Zunge beißen. Dieses Thema hatte ich bisher noch nie angesprochen, aber …
»Was hast du gefühlt, als sie dich damals aus dem Hause der Dragon verstoßen haben?«
»Erleichterung«, antwortete er ohne Zögern. »Warum?«
Seufzend sagte ich: »Ist egal.«
Ich unternahm einen Versuch, meine nachdenkliche Laune zu heben, und fast ist es mir auch gelungen. »Was hast du, Kragar?«
»Ich hab mich nur gefragt, ob du was herausgefunden hast«, meinte er ganz unschuldig.
Ob ich was herausgefunden hatte? fragte ich mich. Die Frage hallte in meinen Gedanken wider, und ich spürte, wie ich zu lachen anfing. Kragar warf mir einen komischen Blick zu; er war besorgt. Ha! Ob ich was herausgefunden hatte?
Kragar lehnte sich über den Tisch und gab mir eine schallende Ohrfeige.
»He, Boß«, sagte Loiosh, »hör damit auf.«
Das machte mich wieder nüchtern. »Du hast leicht reden«, erwiderte ich. »Du hast ja auch nicht gerade erfahren, daß du
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