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Jhereg

Jhereg

Titel: Jhereg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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sich wahr anfühlte. Das war das eigentlich Beängstigende – irgendwo tief in mir, zweifellos in meiner ›Seele‹, wußte ich, daß Aliera die Wahrheit gesagt hatte.
    Und das bedeutete – was? Daß das, was mich zu den Jhereg gezogen hatte – mein Haß auf die Dragaeraner –, in Wirklichkeit ein Schwindel gewesen war. Daß meine Verachtung für die Dragon nicht aus dem Gefühl einer Überlegenheit über ihre Werte geboren wurde, sondern in Wirklichkeit ein Gefühl der Unzulänglichkeit war, das weit zurückging. Wie weit? Zweihunderttausend Jahre? Zweihundertfünfzigtausend? Bei den gelenkigen Fingern von Verra!
    Ich spürte, daß Cawti meine Hand hielt, und lächelte sie an, ein wenig betrübt vielleicht.
    »Willst du darüber reden?« fragte sie leise.
    Noch eine gute Frage. Ich war nicht sicher, ob ich darüber reden wollte oder nicht. Aber schließlich tat ich es doch, stockend, etwa zwei Stunden lang. Cawti fühlte still mit mir, schien aber nicht sonderlich aufgewühlt.
    »Mal ehrlich, Vlad, was macht es für einen Unterschied?«
    Ich wollte antworten, doch sie unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. »Ich weiß. Du hast immer gedacht, daß deine Herkunft als Ostländer dich zu dem gemacht hat, was du bist, und jetzt fragst du dich, ob das stimmt. Aber ein Mensch zu sein ist nur die eine Seite, oder? Die Tatsache, daß du in einem früheren Leben – oder besser in mehreren – ein Dragaeraner warst, ändert nichts an dem, was du in diesem Leben durchmachen mußtest.«
    »Nein«, gab ich zu, »wohl nicht. Aber –«
    »Ich weiß. Hör mir mal zu, Vlad. Wenn diese ganze Sache vergangen und vergessen ist, in einem Jahr oder so, unterhalten wir uns mit Sethra. Wir werden mehr über das herausfinden, was geschehen ist, und vielleicht, falls du es willst, bringt sie dich zurück in die Zeit, und du kannst es noch einmal durchleben. Falls du das willst. Aber bis dahin vergiß es. Du bist, wer du bist, und was auch immer dazu geführt hat, war absolut richtig, soweit es mich betrifft.«
    Ich war froh, daß ich mit ihr darüber gesprochen hatte, und drückte ihre Hand. Langsam fühlte ich mich etwas entspannter, aber auch müde. Ich küßte ihre Hand. »Danke für das Essen«, sagte ich.
    Sie zog die Brauen hoch. »Du weißt doch nicht einmal, was es gegeben hat.«
    Ich überlegte kurz. Jhegaala-Eier? Nee, die hatte sie gestern gemacht.
    »He!« rief ich. »Ich war heute mit Kochen dran, oder?«
    Ein breites Grinsen war ihre Antwort. »Allerdings, mein Freund. Damit habe ich deine Schulden bei mir noch weiter erhöht. Ganz schön clever, was?«
    »Verdammt!«
    In gespielter Trauer schüttelte sie den Kopf. »Das sind dann jetzt, mal sehen, ungefähr zweihundertsiebenundvierzig Gefallen, die du mir schuldest.«
    »Aber wer zählt da schon nach, was?«
    »Genau.«
    Da stand ich auf und führte sie an der Hand in unser Schlafzimmer. Dort zahlte ich ihr die Schuld von heute abend zurück, oder sie tat mir einen weiteren Gefallen, je nachdem, wie man solche Dinge bewertet.
     
     
    Mit offenem Abscheu ließen Lord Keleths Diener mich in sein Schloß. Ich beachtete sie gar nicht.
    »Der Herzog wird Euch in seinem Arbeitszimmer empfangen«, sagte der Diener herablassend.
    Er streckte die Hand nach meinem Mantel aus; statt dessen gab ich ihm mein Schwert. Das schien ihn zu überraschen, aber er nahm es an sich. Der Trick, wie man einen Kampf mit einem Dzur überlebt, ist, erst gar nicht in einen zu geraten. Dzurhelden kämpfen nicht gerne, wenn es nicht völlig aussichtslos erscheint.
    Ich war ziemlich stolz auf das Komplott, das mich hierher geführt hatte. Natürlich war es nichts Besonderes, nur eben gut, bodenständig, fast risikolos und mit hoher Gewinnchance. Das wichtigste war, daß es so – naja – wie ich war. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, daß die Begegnung mit Aliera mir den Biß genommen, mich irgendwie verändert hatte, so daß ich nicht mehr so fähig wäre, einen eleganten Plan zu entwerfen und auszuführen.
    Man eskortierte mich zum Arbeitsraum. Auf dem Weg fielen mir die Anzeichen des Verfalls auf: Putzbrösel auf dem Boden, Risse in der Decke, kahle Stellen dort, wo einst bestimmt wertvolle Wandteppiche gehangen hatten.
    Der Diener geleitete mich in den Raum. Dort saß der Herzog von Keletharan, alt und für dragaeranische Verhältnisse ›gedrungen‹, das heißt, seine Schultern waren breiter als gewöhnlich, und man konnte richtige Muskeln in den Armen erkennen. Er hatte ein sanftes

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