Jhereg
da noch Leareth, hat eine Hexe gefunden, die sie heilte. Wie du weißt, war Zauberei damals nicht möglich, und es gab verdammt wenige Hexenmeister aus dem Ostreich, die bereit waren, mit Dragaeranern zu arbeiten, und noch weniger Dragaeraner, die Hexenkunst überhaupt kannten.«
»Ich weiß alles darüber«, sagte ich kurz angebunden.
Kragar sah mich fragend an.
»Mein Vater ist an einer der Seuchen gestorben«, erklärte ich. » Nach dem Interregnum, als sie schon so ziemlich ausgerottet waren. Er kannte keine Zauberkraft. Ich ja, aber nicht ausreichend. Wir hätten ihn mit der Hexenkunst heilen können, Großvater oder ich, aber er ließ uns nicht. Hexenkunst war ihm zu ›östlich‹, verstehst du. Vater wollte Dragaeraner sein. Deshalb hat er sich einen Titel im Jhereg gekauft und mich dragaeranischen Schwertkampf und Zauberei lernen lassen. Und natürlich war, nachdem er unser ganzes Geld zum Fenster rausgeworfen hatte, nichts mehr übrig, um einen Zauberer zu bezahlen. Ich wäre an der gleichen Seuche gestorben, wenn mein Großvater mich nicht geheilt hätte.«
Sanft sagte Kragar: »Das habe ich nicht gewußt, Vlad.«
»Egal, erzähl weiter«, sagte ich barsch.
»Gut«, fuhr er fort, »falls du es nicht schon erraten hast, Mellar hatte zusammen mit der Hexe dafür gesorgt, daß Onarrs Frau die Seuche überhaupt erst bekam. Und dann taucht er auf, als sie gerade im Sterben liegt, rettet sie, und Onarr ist sehr, sehr dankbar. So dankbar sogar, daß er bereit ist, einem ausgestoßenen Mischlingsbalg den Schwertkampf beizubringen. Hübsche Geschichte, oder?«
»Interessant. Ein paar elegante Schachzüge.«
»Ist das nicht faszinierend? Ich gehe mal davon aus, daß dir das Timing auffällt.«
»Klar. Er hat damit angefangen, bevor er das erstemal versucht hat, dem Haus der Dzur beizutreten, oder dem Haus der Dragon.«
»Genau. Was bedeutet, wenn ich nicht danebenliege, daß er sehr genau gewußt hat, was passieren würde, wenn er die Mitgliedschaft beansprucht.«
Ich nickte. »Das wirft ein völlig anderes Licht auf die Sache, oder? Damit wird sein Versuch, den Dragon und den Dzur beizutreten, nicht mehr nur verwirrend, sondern völlig rätselhaft.«
Das fand Kragar auch.
»Und noch was«, sagte ich. »Es scheint, als würden seine Planungen wesentlich weiter zurückgehen als die zwölf Jahre, die wir bisher angenommen haben. Das sieht eher nach zweihundert aus.«
»Noch länger«, meinte Kragar.
»Ach ja, richtig. Er hat im Interregnum angefangen, stimmt’s? Also dreihundert? Vielleicht vierhundert?«
»Schon eher. Beeindruckend, nicht?«
Allerdings. »Erzähl weiter.«
»Also, er hat beinahe einhundert Jahre heimlich mit Onarr gearbeitet. Dann hat er sich in das Haus der Dzur gekämpft, als er fand, daß er soweit war, und den Rest der Geschichte kennst du.«
Ich dachte über alles nach und versuchte, es zu ordnen. Noch war es zu früh zu sagen, ob ich irgend etwas davon für mich verwenden konnte, aber ich wollte ihn so gut wie möglich verstehen.
»Hast du Hinweise gefunden, warum er zu den Dzur wollte, beim zweitenmal, als er seinen Rang erkämpft hat?«
Kragar verneinte.
»Na gut. Das würde ich gerne wissen. Und was ist mit Zauberkraft? Hat er die auch gelernt?«
»Soweit ich weiß nur ein wenig.«
»Hexenkunst?«
»Auf keinen Fall.«
»Na, da haben wir doch was. Mal sehen, wohin es uns bringt.«
Ich nahm einen Schluck Wein, während die Informationen sich setzten, wenigstens die, die ich im Moment bewältigen konnte. Unter Onarr gelernt, ja? Und sich den Weg in die Dzur erkämpft, nur um sie wieder zu verlassen und den Jhereg beizutreten – oder besser, wieder beizutreten –, sich dort an die Spitze zu setzen und dann den ganzen Rat zu erleichtern. Wieso? Nur um zu zeigen, daß er es konnte? Er war zwar zur Hälfte Dzur, aber trotzdem erschien mir das nicht schlüssig. Und dann noch die Geschichte mit Onarr, die ganzen Listen und Fallen. Merkwürdig.
»Weißt du, Kragar, wenn es jemals zu einem Kampf Mann gegen Mann mit dem Kerl kommt, ich glaube, dann bin ich in Schwierigkeiten.«
Er grunzte. »Du neigst zur Untertreibung. Der wird dich in Grund und Boden schlachten.«
Ich zuckte die Achseln. »Aber denk dran, ich fechte im östlichen Stil. Das könnte ihn ein bißchen verwirren, weil er ja einer von euch Hack-hack-schlitz-Typen ist.«
»Und zwar ein verdammt guter!«
»Jau.«
Eine Zeitlang saßen wir nur so da und tranken den Wein. Dann fragte Kragar: »Und du? Was
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