Jhereg
worden, Kragar – Rache für die Mißhandlung eines Mischlings, und Rache für den Tod seines Vaters.
Rache, die so mutig ist wie ein Dzur, so gewalttätig wie ein Dragon, und so gerissen wie ein Jhereg. Darum geht es hier, Kragar.«
Kragar machte ein Gesicht wie eine Chreotha, die gerade einen Dragon in ihrem Netz entdeckt hat. Er durchlief den gleichen Prozeß wie ich vorhin, wo alles plötzlich ineinanderpaßte, und genau wie ich schüttelte er langsam vor Verwunderung den Kopf, sein Gesichtsausdruck eine steinerne Maske des Erschreckens. »Oh, Scheiße, Boß«, war alles, was er herausbrachte.
Dem hatte ich nichts hinzuzufügen.
»MAN WIRD SCHNELL WEISE, WENN MAN IN DEN SCHLUND EINES DRACHEN STARRT«
Der Bankettsaal vom Schwarzen Schloß sah noch genauso aus wie beim letztenmal. Ein paar neue Gesichter, ein paar alte Gesichter, ein paar Gesichter ohne Gesicht. Ich blieb kurz in der Tür stehen, dann trat ich ein. Bevor ich ernsthaft zu arbeiten anfing, wollte ich mich ein bißchen sammeln und meinen Magen vollständig zur Ruhe kommen lassen.
»Kannst du dir vorstellen, Boß, daß Morrolan das wirklich gut findet?«
»Du kennst doch die Dragon, Loiosh.«
Kragar hatte sich eine Stunde Zeit genommen, jede meiner Vermutungen in bezug auf Mellars Eltern zu überprüfen. Anscheinend war sein Vater tatsächlich derjenige gewesen, der den zweiten Krieg zwischen Dragon und Jhereg ins Rollen gebracht hatte, von dem Kragar im übrigen auch noch nie gehört hatte. Die Hinweise darauf in den Büchern der Lyorn waren verstreut, aber eindeutig. Er hat tatsächlich stattgefunden, und zwar im großen und ganzen so, wie man es mir erzählt hatte.
Alles paßte wunderbar zusammen. Und ich war einer Lösung noch immer nicht näher als am gestrigen Tag. Das war das ärgerliche. Diese ganzen Informationen sollten wirklich die Grundlage für etwas anderes sein als die bloße Befriedigung, ein Rätsel gelöst zu haben. Oh, klar, ich wußte jetzt, daß bestimmte Ideen nichts bringen würden, weil Mellar gar nicht die Absicht hatte, das Schwarze Schloß lebendig zu verlassen, aber ich hatte ja schon vorher keine Ahnung, was ich tun sollte, also spielte das eigentlich keine Rolle. Mir fiel auf, daß das Ganze, je mehr ich herausfand, immer schwieriger wurde statt immer einfacher. Vielleicht sollte ich das meiste wieder vergessen.
Aber da war, wie mir klar wurde, noch ein weiteres Rätsel zu lösen. Kein großes, und ich glaube auch kein schwieriges, aber ich war doch neugierig, warum Mellar denn nun die Leibwächter mitgebracht hatte, wenn er gar nicht wollte, daß sie ihm das Leben retteten. Das war vielleicht nicht so wichtig, aber ich konnte es mir mittlerweile nicht mehr leisten, irgend etwas außer acht zu lassen. Diese Frage hatte mich zum Bankettsaal zurückgeführt: War da etwas, das ich erkennen, erraten oder wenigstens erledigen konnte, wenn ich die beiden beobachtete?
Ich schlängelte mich lächelnd, nickend und trinkend durch die Menge. Nach ungefähr einer Viertelstunde entdeckte ich Mellar. Ich erinnerte mich an die beiden Gesichter, die Loiosh mir übermittelt hatte, und ein paar Meter entfernt sah ich dann auch die Leibwächter.
Ich näherte mich ihnen, so weit ich ohne aufzufallen konnte, und nahm sie unter die Lupe. Ja, die beiden waren Kämpfer. So, wie sie sich bewegten und standen, war klar, daß sie über körperliche Kraft verfügten. Beide waren groß, mit riesigen, fähigen Pranken, und beide konnten eine Menge beobachten, ohne es sich anmerken zu lassen.
Aber warum? Inzwischen war ich davon überzeugt, daß sie einen Attentäter nicht aufhalten würden, also mußten sie einen anderen Zweck erfüllen. Ein kleiner Teil von mir wollte die beiden einfach erledigen, hier und jetzt, aber zuerst wollte ich wissen, was ihre Aufgabe war. Außerdem gab es natürlich keine Garantie, daß ich es auch schaffen würde.
Ich paßte genau auf, daß sie meine Überwachung nicht bemerkten, aber man kann da nie sicher sein. So vorsichtig ich konnte überprüfte ich sie auf verborgene Waffen, konnte aber seltsamerweise keine entdecken. Beide hatten Schwerter, die üblichen dragaeranischen Langschwerter, und jeder trug einen Dolch. Aber ich konnte nicht sehen, daß einer von ihnen etwas am Körper verborgen trug.
Fünf Minuten später drehte ich mich um und verließ den Bankettsaal, indem ich wiederum vorsichtig durch die Menschenmasse glitt. Ich war schon fast an der Tür, als Loiosh meine Überlegungen
Weitere Kostenlose Bücher