Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
heftigen Bums, als sei irgendetwas gegen die Insel gestoßen.
»Grundgütiger Himmel!«, rief Frau Waas und ließ vor Schreck beinahe die Teekanne fallen. »Habt ihr das gehört?«
Lukas war schon aufgesprungen und hatte sich seine Mütze aufgesetzt. »Los, Jim, komm mit! Wir sehen mal nach!«
Die beiden Freunde liefen nach Neu-Lummerland hinüber, wo der Bums hergekommen war. Der Regen hatte ja aufgehört, aber es war stockdunkle Nacht, und deshalb dauerte es eine Weile, bis ihre Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten. Es waren nur die Umrisse von irgendetwas Großem zu sehen.
»Vielleicht is' es ein Walfisch«, meinte Jim.
»Nein, es bewegt sich nicht«, sagte Lukas. »Es sieht eher aus wie ein kleines Schiff.«
»Heda! Hallo!«, rief plötzlich eine Stimme. »Ist denn niemand zu Hause?«
»Doch«, gab Lukas zurück, »zu wem wollen Sie denn?«
»Ist das hier nicht die Insel Lummerland?«, erkundigte sich die
Stimme.
»Es ist Neu-Lummerland«, erklärte Lukas, »wer ist denn da?« »Ich bin der Briefträger«, sagte die Stimme aus der Dunkelheit ein wenig kläglich. »Ich habe wegen des starken Regens heute Nachmittag die Orientierung verloren. Und weil es so stockdunkel ist, dass man die Hand nicht vor den Augen sehen kann, bin ich mit meinem Postschiff leider gegen die Landesgrenze gebumst. Es tut mir wirklich sehr leid, entschuldigen Sie bitte!«
»Macht nichts«, rief Lukas zurück, »es ist ja weiter nichts passiert. Aber kommen Sie doch herunter von Ihrem Postschiff, Herr Briefträger!«
»Ich möchte schon«, hörte man den Briefträger sagen, »aber ich habe da einen Sack voller Briefe für Lukas den Lokomotivführer und Jim Knopf, der ist so schwer, dass ich ihn allein nicht tragen kann.«
Die beiden Freunde kletterten also auf das Schiff hinauf und halfen dem Briefträger den Sack an Land zu schaffen. Mit vereinten Kräften schleppten sie die Last in die Küche.
Es waren Briefe in jeder Form und Größe und von allen Farben und mit den seltensten Briefmarken beklebt, denn sie kamen von Hinterindien und aus Feldmoching und aus China und Stuttgart und vom Nordpol und vom Äquator, mit einem Wort: aus aller Herren Länder. Die Absender waren Kinder, und manche, die noch nicht selbst schreiben konnten, so wie Jim, hatten ihren Brief jemandem diktiert oder ihn einfach gemalt. Alle hatten die Abenteuer der beiden Freunde gehört oder gelesen und wollten nun noch diese oder jene Einzelheit wissen, oder sie luden Jim und Lukas ein sie zu besuchen, oder sie drückten den beiden auch nur einfach so ihre Anerkennung aus. Sicherlich wird jetzt manch einer unter meinen geschätzten Lesern wissen wollen, ob sein Brief auch dabei war. Jawohl, er war dabei. Das sei hiermit ausdrücklich bestätigt. Außerdem waren da noch Briefe von den Kindern, die Jim und Lukas damals zusammen mit der kleinen Prinzessin aus der Drachenstadt Kummerland befreit hatten.
»Wir müssen jedem einen Antwortbrief schreiben«, sagte Lukas.
»Aber«, rief Jim ganz erschrocken, »ich - ich kann doch nicht schreiben!«
»Ach ja, richtig«, murmelte Lukas, »na ja, dann muss ich es eben allein machen.«
Jim schwieg. Zum ersten Mal wünschte er sich lesen und schreiben zu können und er war eben drauf und dran, es auch auszusprechen, als die kleine Prinzessin ein wenig schnippisch zu ihm sagte: »Siehst du wohl!«
Mehr sagte sie nicht, aber es genügte, dass Jim seinen Wunsch nicht aussprach.
»Aber heute ist es sowieso schon zu spät«, sagte Lukas. »Ich werde das morgen erledigen.«
»Dann ist es wohl das Beste«, meinte der Briefträger, »ich bleibe so lange hier und warte, dann kann ich eure Post morgen gleich mitnehmen.«
»Das ist nett von Ihnen«, sagte Lukas.
»Wenn Sie vielleicht Lust haben«, mischte sich Herr Ärmel ins Gespräch, »dann übernachten Sie doch in meinem Hause. Wir könnten uns dann noch ein wenig über Geographie unterhalten - eine Wissenschaft, von der Sie als Briefträger gewiss sehr viel verstehen und die mich ganz außerordentlich interessiert.«
»Aber gern«, erwiderte der Briefträger erfreut und stand auf. »Ich wünsche allerseits eine angenehme Nacht.« Und zu Lukas und Jim gewendet fügte er hinzu: »Es muss hübsch sein, wenn man so viele Freunde hat.«
»Ja«, sagte Lukas schmunzelnd, »das ist es, nicht wahr, Jim?« Jim nickte.
»Mehr als das!«, erklärte Herr Ärmel mit wichtiger Miene. »Es ist erhebend. - Gute Nacht, meine Damen und Herren.«
Damit schritt er zur Tür
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