Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
helfen konnte, indem er unter jeden Antwortbrief sein schwarzes Gesicht als Unterschrift malte, Briefe zusammenfaltete und einsteckte, Marken auf die Umschläge pappte, die er dann zuklebte.
Und als sie alle Briefe fertig hatten, da tat Lukas dem Lokomotivführer, der doch wahrhaftig ein starker Mann war, die Hand vom Schreiben weh. Und Jim, der alle Briefmarken und alle Umschläge mit der Zunge angeleckt hatte, um sie an- oder zuzukleben, lehnte sich ganz erschöpft auf seinem Stuhl zurück und sagte: »Ogeminge, dad bab abab einge Abbeip!« Er hatte eigentlich sagen wollen: »Ojemine, das war aber eine Arbeit!« Dabei war ihm die Zunge im Mund festgepappt. Er musste noch einmal die Zähne putzen und gurgeln, sonst hätte er nicht mit den anderen zu Mittag essen können.
Am Nachmittag kam der Briefträger mit Herrn Ärmel. Sie waren bei König Alfons gewesen und hatten den Auftrag bekommen, alle Untertanen zu einer Audienz zu rufen. Also gingen sie alle zum Schloss hinauf.
Der König saß wie gewöhnlich in seinem Schlafrock aus rotem Samt, mit seiner Krone auf dem Kopf und den schottisch karierten Pantoffeln an den Füßen auf seinem Thron. Neben ihm stand auf einem besonderen Tischchen das große, goldene Telefon. »Meine lieben Untertanen«, sagte er und winkte freundlich mit der Hand jedem Einzelnen zu, »ich wünsche euch einen guten Tag.« Darauf ergriff Herr Ärmel das Wort:
»Wir alle wünschen Eurer Majestät einen allerbesten Tag und vermelden hiermit untertänigst unsere vollständige Anwesenheit.«
»Nun denn«, begann der König und räusperte sich einige Male, um seine Gedanken zu sammeln, »fürwahr, meine lieben Untertanen, es tut mir leid, aber ich muss euch sagen, dass der Anlass, aus dem ich euch heute zu mir gerufen habe, ein ernster ist. Er ist sogar sozusagen - gewissermaßen ...«
Hier räusperte sich König Alfons abermals und blickte ein wenig ratlos von einem zum anderen.
»Wollten Sie uns einen Beschluss mitteilen, Majestät?«, warf Frau Waas hilfreich ein.
»Gewiss wollte ich das«, erwiderte der König. »Aber das ist nicht so einfach. Ich habe nämlich mehrere Beschlüsse gefasst, genauer gesagt zwei. Der erste Beschluss ist der, dass ich beschlossen habe euch meinen Beschluss mitzuteilen. Das habe ich nun getan und somit habe ich meinen ersten Beschluss ausgeführt.«
Der König nahm seine Krone ab, hauchte darauf und putzte sie mit dem Ärmel seines Schlafrocks blank, wie er es immer zu tun pflegte, wenn er sich in seinen schwierigen Gedanken verstrickt hatte und etwas Zeit gewinnen wollte, um wieder herauszufinden. Schließlich setzte er seine Krone mit einem entschlossenen Ruck wieder auf und sprach:
»Meine teuren Untertanen! Der gestrige Vorfall mit dem Postschiff hat gezeigt, dass es so nicht mehr länger weitergehen kann. Das wäre viel zu gefährlich. In der Regierungssprache nennt man es eine ›ernste Lage‹. Das bedeutet etwas, was nicht so weitergehen kann.«
»Und was kann nicht so weitergehen, Majestät?«, fragte Lukas.
»Das habe ich euch doch eben erklärt«, seufzte König Alfons und wischte sich mit seinem seidenen Taschentuch einige Schweißperlen von der Stirn, denn die Audienz begann ihn sehr anzustrengen.
Die Untertanen warteten schweigend, bis König Alfons sich wieder gesammelt hatte und fortfuhr:
»Ihr könnt das alles nicht verstehen, weil es zu schwierig ist. Die Hauptsache ist ja schließlich, dass ich es verstehe, dafür bin ich der König. Also, meinen ersten Beschluss habe ich euch schon gesagt und mein zweiter Beschluss heißt so: Es muss etwas geschehen.«
»Was muss geschehen, Majestät?«, fragte Lukas vorsichtig.
»Ich werde es euch erklären«, sagte der König. »Die Ve-Sta-vo-Lu-u-Neu-Lu sind in Gefahr.«
»Die was?«, fragte Lukas.
»Die Ve-Sta-vo-Lu-u-Neu-Lu. Das ist eine Abkürzung, denn in der Regierungssprache benützt man immer Abkürzungen. Es bedeutet ›Die Vereinigten Staaten von Lummerland und Neu-Lummerland‹.«
»Aha«, antwortete Lukas, »und warum sind sie in Gefahr?«
Der König erklärte: »Gestern ist doch das kleine Postschiff gegen die Landesgrenze von Neu-Lu gestoßen, weil es so dunkel war. Früher kam ja nur hin und wieder das Postschiff zu uns, aber seit wir diplomatische Beziehungen mit Mandala haben, hat sich der Schiffsverkehr hier sehr verstärkt. Fast jeden Monat kommt das große Staatsschiff meines verehrten Freundes Pung Ging, des Kaisers von Mandala. Es ist nicht
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