Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
schmunzelnd dabeistand, und sagte: »Sie is' schon wieder ein bisschen größer geworden seit vorgestern, find'st du nicht, Lukas?«
»Tja«, nickte Lukas, die Pfeife zwischen den Zähnen, »sie hat sich prächtig rausgemacht. Aber wenn wir nun mit Emma wegfahren, was machen wir solange mit Molly?«
»Meinst du, wir könnten sie vielleicht mitnehmen?«
»Wie du willst, Jim«, antwortete Lukas, »schließlich ist es ja deine Lokomotive. Aber du weißt, was für Gefahren uns begegnen können. Und Molly ist noch ein bisschen jung.«
Jim seufzte. Es war eine schwere Entscheidung. Schließlich meinte er zögernd: »Aber vielleicht is' es ganz gut, wenn sie sich an Abenteuer gewöhnt.«
»Gut«, sagte Lukas, »dann nimm sie mit.«
»Wann fahren wir los?«, erkundigte sich Jim.
Lukas blickte prüfend zum Himmel hinauf. Ein sachter Wind hatte seit Mittag angefangen die dichte Wolkendecke aufzulockern. Da und dort blickte sogar schon der blaue Himmel hervor.
»Wir werden eine klare Nacht bekommen«, erklärte Lukas sachverständig. »Der Wind ist günstig, nicht zu stark, nicht zu schwach. Ich denke, das sollten wir ausnützen und gleich heute Abend die Taue kappen. Bist du einverstanden?«
»In Ordnung, Lukas!«, sagte Jim.
»Gut«, meinte Lukas, »dann wollen wir an die Vorbereitungen gehen.«
Und das taten sie. Während Lukas Werg und Teer zum Kalfatern der beiden Lokomotiven fertig machte, sagte Jim Frau Waas Bescheid. Sie seufzte ein ums andere Mal, während sie mit Li Sis Hilfe Jims kleinen Rucksack mit warmen Sachen zum Anziehen vollpackte, damit der Junge sich nicht erkältete, und noch zehn Taschentücher dazustopfte, damit der Junge sich auch die Nase immer schnäuzen konnte, und Seife, Waschlappen und Zahnbürste obendrauf legte, damit der Junge sich jeden Morgen und Abend die Ohren und die Zähne putzte. Die Schachtel mit den Spielen, die die Reisenden für die lange Fahrt so nötig brauchten, hätte Frau Waas dagegen um ein Haar vergessen, wenn Li Si nicht daran gedacht hätte.
Jim war inzwischen wieder zur Bahnstation hinübergegangen, und während Lukas seine Emma kalfaterte, tat er dasselbe mit Molly. Wie bei der ersten Reise nach Mandala wurden die Türen der Führerhäuschen sorgfältig verschlossen und alle Ritzen mit Werg und Teer verstopft, damit kein Tropfen hineinsickern konnte. Dann musste alles Wasser aus den Kesseln ablaufen, damit sie hohl waren und die beiden Lokomotiven auf dem Wasser schwimmen konnten wie leere Flaschen. Schließlich befestigte Lukas mit Jims Hilfe den Mast auf Emmas Führerhaus, und als das geschehen war, hissten sie das Segel. Molly bekam keinen Mast; sie sollte lieber an einem festen Seil hinter Emma hergezogen werden, damit sie nicht verloren ging.
Als die beiden Freunde endlich mit allen Vorbereitungen fertig waren, begann es bereits Abend zu werden. Sie wuschen sich gründlich die Hände, die von der Arbeit mit dem Teer ziemlich schmutzig geworden waren. Dazu benutzten sie natürlich die besondere Lokomotivführerseife von Lukas. Dann gingen sie zu Frau Waas in die kleine Küche, um vor ihrer Abfahrt noch einmal gemütlich zu Abend zu essen. Bis der Tisch gedeckt war, ging Jim noch rasch in seine Kammer und zog seinen himmelblauen Lokomotivführeranzug an und setzte die Schirmmütze auf. Während der Mahlzeit konnte er vor Unternehmungslust kaum noch ruhig sitzen und kam kaum zum Essen, sodass Frau Waas immer wieder sagte: »Jim, mein Liebling, es wird ja alles ganz kalt. Du verdirbst dir noch den Magen.«
Aber sonst sagte sie nicht viel, sondern war still oder sorgenvoll. Die bevorstehende Reise erfüllte ihr gutes Herz mit tausend Befürchtungen.
Die kleine Prinzessin hatte die ganze Zeit kein einziges Wort mehr gesprochen, sondern war nur immer blasser und blasser geworden. Sie blickte Jim mit großen, bekümmerten Augen an und manchmal zitterte ihre Unterlippe ein wenig. Wenn sie Jim nun vielleicht niemals mehr Wiedersehen würde? Was sollte nur aus ihr werden, wenn ihm etwas zustieß? Und sie wusste ja noch von damals, als er sie und die anderen Kinder aus der Gefangenschaft beim Drachen befreit hatte, wie kühn er sogar der schrecklichsten Gefahr gegenübertrat.
Nach dem Abendessen gingen sie zur Bahnstation hinüber, wo die beiden kalfaterten Lokomotiven abfahrbereit standen. Das Segel über Emmas Führerhäuschen bauschte sich bereits im Wind. Die kleine Molly stand hinter ihr, durch einen langen, festen Strick mit der Mutterlokomotive verbunden.
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