Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
Auch Jim holte seine Tabakspfeife, die ihm damals die kleine Prinzessin zur Verlobung geschenkt hatte. Aber er rauchte nicht richtig. Lukas hatte ihm davon abgeraten und ihm erklärt, dass man nicht mehr weiter wächst, wenn man damit anfängt. Bei Erwachsenen macht das ja nichts, weil sie schon groß genug sind, aber Jim war bis jetzt noch immer ein halber Untertan, und das wollte er natürlich nicht für alle Zeiten bleiben.
Draußen senkte sich schon die Abenddämmerung hernieder und der Regen ließ ein wenig nach. In der Küche war es warm und gemütlich.
»Was ich dich schon längst fragen wollte, Li Si«, begann Lukas, nachdem er seine Pfeife gemächlich angezündet hatte, »wie geht's eigentlich dem Drachen Mahlzahn?«
»Er schläft immer noch tief«, antwortete die kleine Prinzessin mit ihrer lieblichen Vogelstimme. »Aber er ist ganz wunderbar anzusehen. Er glänzt und funkelt vom Kopf bis zur Schwanzspitze, als ob er aus purem Gold wäre. Mein Vater lässt ihn Tag und Nacht von Wächtern behüten, damit sein Zauberschlaf durch nichts gestört wird. Er hat befohlen sofort Meldung zu erstatten, wenn der Drache anfängt aufzuwachen. Er will euch dann gleich benachrichtigen.»
»Fein«, sagte Lukas, »lange kann's ja nicht mehr dauern. Der Drache hat doch gesagt, er würde in einem Jahr wieder aufwachen.«
»Nach der Berechnung unserer Blüten der Gelehrsamkeit«, erwiderte Li Si, »muss der große Augenblick in drei Wochen und einem Tag eintreten.«
»Dann werd ich den Drachen als Erstes fragen«, erklärte Jim, »wo mich die dreizehn Seeräuber geraubt haben und wer ich in Wirklichkeit bin.«
»Ach ja«, seufzte Frau Waas bedrückt. Sie fürchtete, dass Jim dann vielleicht für immer von Lummerland und von ihr fortgehen könnte.
Aber andererseits sah sie natürlich auch ein, dass der Junge das Geheimnis seiner Herkunft durchaus erforschen musste. Deshalb sagte sie nichts weiter, sondern seufzte nur noch einmal aus tiefstem Herzen.
Dann holte Jim die Schachtel mit den Spielen und sie spielten zu viert »Mensch ärgere dich nicht« und »Fang den Hut« und alle anderen Spiele, die da waren.
Die meiste Zeit gewann natürlich die kleine Prinzessin. Das war allerdings nichts Neues, aber Jim konnte sich noch immer nicht so recht damit abfinden. Er mochte Li Si wirklich sehr gern, aber noch lieber hätte er sie gemocht, wenn sie nicht immer so gescheit gewesen wäre. Er hätte sie ja sogar ab und zu gewinnen lassen, aber das ging leider nicht, weil sie sowieso dauernd gewann.
Draußen war es inzwischen ganz dunkel geworden und der Regen hatte aufgehört. Plötzlich pochte es.
Frau Waas machte die Tür auf und herein trat Herr Ärmel. Er klappte seinen Schirm zusammen, stellte ihn in die Ecke, nahm seinen steifen Hut ab und verbeugte sich.
»Guten Abend, guten Abend allerseits! Wie ich sehe, ist man mit der interessanten Tätigkeit des Spielens beschäftigt. Wissen Sie, meine Damen und Herren, ich saß nämlich drüben in meinem Hause und fühlte mich ein wenig einsam und da fragte ich mich, ob es Ihnen wohl recht wäre, wenn ich ein wenig an Ihrer Geselligkeit teilnähme.«
»Es ist uns sehr recht«, sagte Frau Waas freundlich und stellte für Herrn Ärmel eine Tasse auf den Tisch, die sie aus der großen bauchigen Teekanne füllte. »Setzen Sie sich zu uns, Herr Ärmel.«
»Danke!«, erwiderte Herr Ärmel und nahm Platz. »Ich will Ihnen gestehen, dass ich seit einiger Zeit über etwas nachdenke, und ich würde gerne Ihre Meinung hören. Die Sache ist nämlich so: Jeder Einwohner von Lummerland ist doch zu etwas da - außer mir. Ich gehe hauptsächlich spazieren und werde regiert - einfach so. Sie werden gewiss zugeben, dass dies auf die Dauer etwas unbefriedigend ist.«
»Ach was!«, warf Frau Waas ein. »Wir haben Sie alle gern, so wie Sie sind.«
Und die kleine Prinzessin meinte: »Gerade deswegen.«
»Vielen Dank«, erwiderte Herr Ärmel, »aber dennoch nur so da zu sein, sozusagen ganz ohne was, das ist nun einmal kein Leben. Dabei kann ich von mir sagen, dass ich ein ungewöhnlich gebildeter Mensch bin und über Kenntnisse verfüge, die mich selbst bisweilen in größtes Erstaunen setzen. Aber leider fragt danach niemand.«
Lukas lehnte sich in seinem Sessel zurück und paffte schweigend einige Rauchringe zur Decke, dann sagte er bedächtig: »Ich denke, Herr Ärmel, das wird sich eines Tages finden.« In diesem Augenblick gab es draußen plötzlich einen
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