Jim Knopf und die Wilde 13
Kopf.
„Lieber nicht, Jim. Stell dir doch mal
vor, wenn wir mit unserem Magneten der Stadt zu nahe kämen, dann würde alles,
was aus Eisen ist, angezogen werden und uns entgegenfliegen. Nein, für diesmal
müssen wir auf einen Besuch verzichten. Ich denke sogar, wir sollten
vorsichtshalber noch ein Stück höher steigen, damit auch bestimmt nichts
passiert.“
Lukas richtete den Mast mit dem
Magneten senkrecht in die Höhe. Sofort begann die Lokomotive zu steigen, immer
höher und höher. Klein wie ein Spielzeugdorf glitt Ping, die Hauptstadt von
Mandala, unter ihnen vorüber.
Die Sonne war inzwischen untergegangen
und die Dämmerung senkte sich über die Erde, als die Reisenden mit dem
„Perpetumobil“ das riesenhafte Gebirge „Die Krone der Welt“ erreichten. „Die
Frage ist“, sagte Lukas, während sie darauf zuflogen wie eine Mücke auf eine
Stadtmauer, „ob wir es riskieren sollen, heute noch die andere Seite zu
erreichen, oder ob wir lieber landen und morgen bei Tageslicht weiterfliegen.
Es wird schon dunkel.“
„Das schon“, meinte Jim, „aber es is’
ja nur noch ein ganz kleines Stück zu fliegen, und wir sind gleich drüben.“
„Also gut“, antwortete Lukas und
richtete den Mast senkrecht in die Höhe. Sofort begann die Lokomotive zu
steigen, immer höher und höher. Die Wand des Gebirges lag nahe in der
Dunkelheit vor ihnen. Der Mond war noch nicht aufgegangen.
Lukas schob seine Mütze ins Genick und
spähte zu den Gipfeln hinauf. Über ihnen wölbte sich ein schwarzer Himmel, an
dem klar die Sterne funkelten.
„Verflixt“, knurrte er leise, „wenn das
nur gut geht! Nach meiner Schätzung haben wir jetzt bereits Wolkenhöhe
erreicht.“
Die Lokomotive stieg und stieg. Und mit
jedem Augenblick war zu spüren, wie die Luft dünner wurde. Jim mußte immer
wieder schlucken, damit der Druck in seinen Ohren nachließ. Wie tief die Erde
nun schon unter ihnen lag, konnten die beiden Freunde nicht mehr wahrnehmen.
Endlich hatten sie die Höhe der ersten
Gipfelreihe erreicht. Lukas klappte den Mast wieder nach vorne. Die Lokomotive
hörte auf zu steigen und schoß vorwärts. In vollkommener Stille schwebte sie
über die majestätischen Bergspitzen, die sich nach der Tiefe zu in der
Finsternis verloren.
„Vorsicht!“ schrie Jim plötzlich, denn
vor ihnen tauchte unversehens eine zweite Bergkette auf, deren Gipfel noch ein
beträchtliches Stück höher waren als die der ersten. Doch auch Lukas hatte die
Gefahr eines Zusammenstoßes sogleich erkannt und den Mast in die Höhe gerissen.
Wie ein Pfeil stieg Emma aufwärts, wenige Meter von der Felswand entfernt. Nur
eine Sekunde später, und sie wären unfehlbar an dem Berg zerschellt!
Jim spürte, wie ihn nach und nach eine
ganz sonderbare Schwäche überkam. Seine Arme und Beine begannen zu zittern,
zugleich mußte er keuchen, als ob er gerade einen gewaltigen Dauerlauf hinter
sich hätte.
Die zweite Bergkette war inzwischen
überflogen, und die dritte tauchte im klaren Licht der Sterne auf. Die Gipfel
übertrafen die vorigen abermals um ein gutes Stück an Höhe.
Auch Lukas mußte immer schneller atmen.
Die Luft war in dieser Höhe schon so dünn, daß sie kaum noch ausreichte.
„Könnten wir nicht...“ keuchte Jim, „in
die Kajüte klettern und... alle Ritzen dicht machen...?“
„Nein“, antwortete Lukas gepreßt, „das
würde nichts helfen. Ich muß doch steuern, sonst prallen wir gegen den Berg.
Aber du kannst ja runterklettern, wenn du willst. Ich komm schon allein
zurecht, Jim.“
„Nein“, sagte Jim, „dann bleib’ ich
auch...“
Sie hatten die dritte Bergkette
überflogen und näherten sich der vierten, deren Höhe das Doppelte der
allerersten betragen mochte. Zum Glück wurden die Sterne immer größer und
heller, so daß die Felsen gut zu sehen waren.
„Lukas“, ächzte Jim, „laß uns umkehren.
Da kommen wir nicht drüber!“
„Zurück ist es jetzt genauso weit wie
vorwärts!“ stieß Lukas hervor.
Jim sah rote, glühende Ringe und
feurige Brezeln vor seinen Augen tanzen. Es rauschte in seinen Ohren und das
Blut hämmerte in seinem Kopf. Auch Lukas begann zu fühlen, wie ihn die Kräfte
verließen. Seine Arme wurden schwach wie die eines Wickelkindes. Der Mast
entglitt seinen Händen und klappte nach vorne...
Im gleichen Augenblick schnellte das
„Perpetumobil“ auf den oberen Rand der Bergkette zu — und um Haaresbreite
drüber hinweg. Es waren insgesamt sieben Bergketten, die hintereinander
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