Jim Knopf und die Wilde 13
diesen Worten richtete Lukas den
Mast wieder auf, bis er beinahe senkrecht stand. Emma schoß nach oben. Die
gewaltigen Wolkenmassen kamen näher und näher. Jim beobachtete es mit einigem
Unbehagen, denn diese Himmelsdecke sah aus wie ein unübersehbares Gebirge aus
Schneegipfeln, das von oben herunterhing.
„Meinst du“, fragte er besorgt, „es
macht uns nichts, wenn wir dagegen stoßen?“
„Gar nichts“, beruhigte ihn Lukas,
„höchstens, daß es etwas feucht ist, wenn wir gerade durch eine Regenwolke
fliegen. Achtung, es ist soweit!“
Sie hatten den unteren Saum der Wolke
erreicht, und als sie höher stiegen, befanden sie sich plötzlich in einem
undurchdringlich dichten Nebel. Es war ungefähr wie in einer großen Waschküche,
nur nicht so warm, sondern sogar ziemlich kühl und feucht.
So flogen sie eine ganze Weile, ohne
daß sie recht wußten, ob sie sich überhaupt noch vom Fleck bewegten. Dann
teilte sich ganz plötzlich der Nebel über ihnen, und das „Perpetumobil“
schwebte über eine blendend weiße Wolkenlandschaft in einen leuchtend blauen
Himmel hinauf, von dem die Sonne in unbeschreiblicher Pracht und Reinheit
herniederstrahlte.
Sprachlos vor Staunen ließ Jim seine
Blicke über das wunderbare Wolkenland zu seinen Füßen schweifen. Um Seen wie
aus Milch lagen schneeige Berge; Burgen und Türme wie aus Puderzucker ragten
über sie empor, umgeben von Gärten und Wäldern, in denen alle Bäume und
Sträucher aussahen, als seien sie aus feinsten Federn und Daunen gemacht. Alles
war immerfort in langsamer Bewegung und verwandelte sich. Was eben noch
ausgesehen hatte wie das Kopfkissen eines Riesen, änderte seine Form und wurde
zu einer großen weißen Tulpenblüte; was einer Alabasterbrücke zwischen zwei
Berggipfeln glich, bildete sich um zu einem Nachen, der über ein schäumendes
Meer dahinglitt; und wo gerade noch eine geheimnisvolle Höhle zu sehen war,
erhob sich im nächsten Augenblick ein riesiger Springbrunnen, der aussah, als
sei er zu Eis und Schnee erstarrt.
Lukas hatte am Sonnenstand die Richtung
gefunden, in der sie fliegen mußten, und ließ Emma wieder unter die Wolkendecke
tauchen, denn hier oben war die Luft so dünn, daß man es nicht lange aushalten
konnte.
Als sie einige Zeit wieder über dem
Meer geflogen waren, erblickten sie vor sich am Horizont einen hellen Streifen.
Dort hörte die dichte Wolkendecke endlich auf, und die Sonne schien auf das
Meer herunter. An der Grenze aber zwischen dem guten und dem schlechten Wetter,
dort wo der letzte Saum der Wolken lagerte, wölbte sich über den Wogen ein
schimmernder Regenbogen. Lautlos und feierlich schwebte das „Perpetumobil“ mit
seinen beiden Passagieren auf dieses wunderbare Tor aus Farben und Licht zu und
flog ganz dicht unter ihm hindurch, so nah, daß Jim seine Hand in das sanfte
Glänzen und Leuchten halten konnte. Aber er fühlte natürlich nichts, denn Licht
und Luft kann man nicht anfassen, außer man ist selber auch aus Licht und Luft.
Sie ließen den Regenbogen hinter sich und
flogen in das schöne Wetter hinaus. Als die Sonne sich langsam dem Horizont
zuneigte und sich in einen zarten Schleier von Abendrot hüllte, erblickte Jim
in der Ferne eine Küste. Kurze Zeit später flogen sie darüber hin, und Lukas
ließ die fliegende Emma ein wenig tiefer hinunter, damit sie feststellen
konnten, was für ein Land es war.
Jim legte sich mit dem Bauch auf das
Dach des Führerhäuschens, um besser hinunterspähen zu können. Und was er
erblickte, kam ihm ganz und gar vertraut vor. Durch die Landschaft schlängelten
sich kleine Bäche, über die sich zierliche Brücken mit sonderbaren spitzen
Dächern schwangen. Dazwischen standen die verschiedenartigsten Bäume, die alle
etwas gemeinsam hatten, nämlich, daß sie durchsichtig waren wie aus farbigem
Glas. Und ganz in der Ferne erhob sich über den Horizont ein gewaltiges Gebirge
aus unzähligen Gipfeln, alle rot und weiß gemustert. Es gab keinen Zweifel, um
was für ein Land es sich dort unten handelte.
Jim richtete sich auf und sagte:
„Es is’ Mandala!“
Lukas nickte befriedigt.
„Ich habe es mir gedacht. Dann sind wir
auf dem richtigen Weg zu Herrn Tur Tur.“
„Schau“, rief Jim und zeigte nach
unten, wo es von der Erde herauf ganz wunderbar glitzerte und glänzte, „da sind
auch die goldenen Dächer von Ping! O Lukas, könnten wir nicht vielleicht landen
und dem Kaiser und Ping Pong guten Tag sagen?“
Aber Lukas schüttelten ernst den
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