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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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durch sie hindurch, und alles, woran ich denken kann, ist ihr Nachbar zwei Häuser weiter, Brian. Er ist nicht nur aus unserem Haus verschwunden. In letzter Zeit habe ich ihn auch sonst nirgendwo gesehen, und Sean hat ihn seit dem Abend in der Notaufnahme nicht mehr erwähnt. Vielleicht ist er doch noch aufs College gegangen. Nicht dass es etwas zu bedeuten hätte. Es würde mich nur interessieren, mehr nicht.
    Als ich Jill ins Klassenzimmer kommen sah, war mein erster Gedanke: Nein, ich werde mir ihre Leidensgeschichte nicht anhören. Inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Weil sie bestimmt weiß, wo Brian steckt. Dann klingeltes zur Pause, und ich stürze mich auf sie. Sie hat kaum Zeit, ihre Bücher wegzupacken.
    »Und? Alles in Ordnung?«
    Sie schaut von ihrer Tasche auf, ganz Schmerz und Elend.
    »Hi, Eala.«
    Plötzlich springt sie auf und schlingt die Arme um mich. Bis dahin ist das noch nichts Besonderes. Nicht für Jill. Sie liebt Umarmungen. Manchmal hat sie dich höchstens für ein paar Stunden nicht gesehen und begrüßt dich, als wärst du ein Jahr lang weg gewesen. Aber die Umarmung jetzt ist anders. Fester und länger. Die anderen in der Klasse bewegen sich nur langsam zur Tür, wollen sehen, was sie für einen Anfall hat. Einige finden die Szene rührend, andere zwinkern sich zu. Ein paar grinsen, weil das Ganze irgendwie absurd ist. Zu denen gehöre auch ich. Ich überlege noch, ob ich mich losreißen soll, als Jill mich von allein loslässt. Sie holt tief Luft, als wollte sie gleich mit allem herausplatzen, was sie bedrückt. Und ich höre Angie: Lass sie gar nicht erst damit anfangen, Eala! Sag ihr, du musst Brian finden, weil … weil …
    »Hast du Brian in letzter Zeit gesehen?«, frage ich. Fragt Angie. »Weil … er hat sich eine von Dads DVDs ausgeliehen, ›Charlie – Alle Hunde kommen in den Himmel‹, du weißt schon, der Film, an dem Dad mitgearbeitet hat. Ich brauch die DVD echt zurück.«
    Spitze! , sagt Angie. Als ob Brian sich einen Kinderfilm ausleihen würde.
    Jill ist überrascht. Ihre Lippen bewegen sich, aber sie weiß nicht, was sie sagen soll. Oder vielleicht weiß sie es und ist nur zu höflich, damit herauszurücken. In jedem Fall ist Angie schneller.
    Zerquetsch ein paar Tränen, Eala!
    »Ich hab nur noch so wenig Sachen von Dad, ich …«
    Ich befehle Angie zu verschwinden. Jill wird rot, und durch das Make-up bekommt die Röte einen Stich ins Grüne.
    »Ich hab ihn nicht gesehen, aber der Krach aus seinem Schuppen macht mich noch krank. Win war ein paarmal drüben, bevor sie nach Dublin zurück ist, damit er die Kreissäge abstellt oder was er da hat, sonst hätte Richard kein Auge zugemacht«, erzählt Jill.
    »Heißt das, er ist nicht auf dem College?«
    Sie schüttelt den Kopf. Sie wartet darauf, dass ich nach ihrer Schwester frage. Als ich gehen will, hält sie mich am Arm fest.
    »Win will Richard zur Adoption freigeben«, sagt sie.
    »Wenn’s besser für sie ist«, sage ich. »Und für das Kind vielleicht auch ...«
    Erst jetzt merke ich, wie stickig und verbraucht die Luft nach ein paar Stunden schlechtem Atem und fragwürdigen Körpergerüchen in einem Raum mit geschlossenen Fenstern ist. Aus irgendeinem Grund denke ich: So muss es im Gefängnis riechen.
    »Du drehst langsam durch, Eala«, sagt Jill, und ich bin überrascht, wie ruhig sie dabei ist. »Ich meine, du warst schon immer sarkastisch, aber auf eine witzige Art. Jetzt bist du nur noch zynisch und … und grausam. Ich weiß, wie hart das alles für dich sein muss, aber … Hör zu, Eala, du musst mit jemandem reden …«
    Und jetzt kriege ich die Wut.
    »Mit jemandem wie dir, ja? Wo ich gar nicht zu Wort komme, weil du mir pausenlos was von Win und ihrem kleinen Pupsi vorjammerst!«
    »Interessiert’s dich, warum ich heute in die Schule gekommen bin?«, fragt Jill.
    Mit der Frage hatte ich nicht gerechnet.
    »Aus demselben Grund wie wir alle?«, sage ich.
    »Wegen der Gerichtsverhandlung«, sagt sie. »Ich wollte für dich da sein – was offenbar mehr ist, als du für mich tun willst.«
    Sie hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich schaue sie an, aber sie mustert ihre Fingernägel. Kein Nagellack. Es muss das erste Mal sein, seit sie zehn ist, dass sie sich nicht die Fingernägel lackiert hat.
    »Ich kann den ganzen Scheiß heute nicht gebrauchen.«
    »Du kannst nicht vor den Leuten weglaufen«, sagt sie mit schmachtendem Blick. »Nicht vor Leuten, die dich mögen, die … Ich bin in der

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