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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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Cafeteria.«
    Während sie sich zwischen den Tischen hindurch zur Tür schlängelt, breche ich in schallendes Gelächter aus. Es ist komplett irre, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich lache und schreie gleichzeitig.
    »›Du kannst nicht weglaufen‹, sagt sie! Und dann läuft sie weg! Wie finden wir das denn?«
    Irgendwo am anderen Ende des Klassenzimmers biegt sich auch Angie vor Lachen.

15
    Der Gerichtssaal ist eine Höhle. Die hohen Fenster sind so verrußt, dass das Nachmittagslicht als schmutzige Dämmerung drinnen ankommt. Die Farbe an den Wänden wirft Blasen und blättert, hier und da gibt es grünlich-schwarzen Schimmel. Es riecht wie auf einer Toilette, die jemand vor hundert Jahren zum letzten Mal benutzt hat, aber ohne zu spülen. Das Mobiliar ist aus dunklem Holz und klebt vor Schmutz. Der hohe Richtertisch thront über dem Zeugenstand, den zwei Sitzreihen für die Vertreter der Anklage und der Verteidigung und den unbequemen Bänken, auf denen alle anderen Platz genommen haben.
    Mam, Sean und ich sitzen in der zweiten Reihe. Hinter uns sitzen Fiona Sheedy und Martin. In der ersten Reihe rechts von uns sitzen Clem Healy, sein Bruder Sham und sein Vater. Es ist das erste Mal, dass ich Clem Healy aus der Nähe sehe. Er ist klein, schmächtig und hat eine schwere Akne. Er sieht aus wie zwölf, aber ich weiß, dass er bald fünfzehn wird. Sein Vater, Trigger, ist klein, stämmig und hat den Schädel blank rasiert. In seinem schwarzen Anzug ohne Krawatte sieht er aus wie ein Türsteher von der Sorte, die dich nicht reinlässt, und du darfst dir selbst überlegen, warum. Der zugeknöpfte Hemdkragen gräbt sich ins Fleisch seines feisten Nackens. Sham ist die zwanzig Jahrealte Kopie seines Vaters, außer dass er übergroße Rapper-Klamotten trägt.
    Clem war der Erste, den ich beim Hereinkommen gesehen habe. Mir wurde richtig schlecht vor Hass. Dass er die Kapuze seines Pullis aufhatte und blöd grinste, machte die Sache nicht unbedingt besser. Er schielte zu mir her, schien aber nicht zu checken, wer wir sind. Entweder das, oder es war ihm egal. Dann verschwand sein Grinsen, und er wurde das Kaninchen vor der Schlange. Sean hatte seinen Blick aufgefangen. Clem stieß seinen großen Bruder in die Seite, und der nahm das Blickduell mit Sean auf. Auch Trigger beteiligte sich daran.
    »Hör auf, Sean, bitte!«, flüsterte Mam. »Lass den Machoquatsch, hörst du!«
    Dann lehnte sich Martin nach vorn und wechselte ein paar Worte mit Sean, und das Blickduell war zu Ende. Trigger wandte sich Clem zu und schob ihm mit einer heftigen Handbewegung die Kapuze zurück. Clem zuckte zusammen, weil er einen Schlag erwartet hatte, aber es war Sham, der ihm den Ellbogen in die Rippen stieß.
    Wir mussten drei andere Verhandlungen durchstehen, bevor unsere dran war. Ein Raub, ein Einbruch und zuletzt eine Spritztour im geklauten Auto. Zwei Jungen und ein Mädchen, alle dreizehn, vielleicht vierzehn Jahre alt. Ganz normale Kids, nach denen man sich auf der Straße nicht umdrehen würde. Alle drei bekamen Bewährungsstrafen. Dass sie viel Reue zeigten, kann man nicht sagen.
    Unsere Verhandlung begann vor einer halben Stunde. Ein Polizist berichtete von der Verfolgungsjagd den River Walk hinunter und von der Festnahme. Ein anderer erklärte, was es mit den Reifenspuren auf dem Bürgersteigauf sich hatte. Starsky, in einem ähnlichen Türsteher-Outfit wie Trigger, sagte aus, Clem habe erst behauptet, Dad hätte ihn vom Fahrrad stoßen wollen, dann aber zugegeben, dass er gelogen hatte. Obwohl es Clem abstritt, war sich Starsky sicher, dass jemand hinter dem Jungen her gewesen war. Er sagte auch, er sei der festen Überzeugung, dass Clem als Kurier für »verbotene Substanzen« unterwegs gewesen sei. Worauf der Richter ihm zu verstehen gab, dass er an Beweisen interessiert sei, nicht an Überzeugungen.
    Dann sollte eine Frau im mittleren Alter den Radfahrer und Unfallverursacher identifizieren und zeigte auf Clem Healy. Sie hatte mit ihrem Auto gerade an der Ampel angehalten, als es passierte. Im Augenblick, als ich sie sah, wusste ich, dass es die Frau war, die Dads Kopf gehalten hatte, bis der Rettungswagen kam. Ich hasste sie dafür. Ich hätte es sein sollen, die seinen Kopf hielt. Aber das Schlimmste kam erst noch.
    Dr. Reid, der Psychiater aus dem Rehazentrum, erklärte die Schäden, die Dad davongetragen hat. Er hat etwas von einem grauhaarigen Weisen. Dad hatte auch für solche Leute einen französischen Ausdruck parat,

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