Jimmy, Jimmy
Weise still. So still, wie unser Haus in den Wochen zwischen Dads Kampf mit Argos und der Ankunft der Ice Queen geworden ist.
Ein paar Tage nach der entscheidenden Schlacht in Mrs Caseys Garten hatte Dad sowieso einen Termin beim Psychiater, und ich kann es Mam nicht verdenken, dass sie mit Dr. Reid über die Hintergründe der Geschichte mit Argos gesprochen hat. Das Ergebnis war, dass Dad stärkere Medikamente nehmen musste. Und ein astreiner Zombie wurde. Aber das Ganze hatte auch was Gutes, wie der Mann mit den Kopfschmerzen unter der Guillotine sagte – einer von Dads alten Lieblingssprüchen. Tatsächlich hatte es was Gutes, dass er bis oben hin mit Medikamenten vollgepumpt wurde: So schien er Veränderungen um ihn herum kaum zu bemerken. Und davon gab es eine ganze Menge.
Sean redete nicht mehr mit ihm, und Brian verschwandkomplett vom Radarschirm. Ich hatte eh nicht erwartet, dass sein unwahrscheinliches Engagement lange anhalten würde, aber fairerweise muss man sagen, dass es schlechtere Entschuldigungen gibt als eine gebrochene Nase. Dad wollte, nachdem Sean und Brian nicht mehr kamen, überhaupt niemanden mehr sehen. Er weigerte sich sogar, mit uns im Wohnzimmer fernzusehen. Oder hatte irgendwelche Ausreden. Aber wenn wir dann das Feuer im Kamin anmachten, kriegte er es unten trotzdem mit.
»Ich mag kein Feuer«, beschwerte er sich. »Wozu brauchen wir ein Feuer? Das Haus ist warm genug.«
Als wir ihm zuliebe kein Feuer mehr machten, wollte er trotzdem nicht mit uns zusammen sein. Die meiste Zeit hockte er unten in seinem Zimmer und starrte die Wände an. Er wollte nicht mehr Fußball spielen, nicht mehr auf den Hometrainer, keine Computerspiele mehr spielen und auch nicht mehr mit Tom Legosteine auf den Hänger des grünen Traktors laden.
»Jimmy doof«, beschwerte sich Tom und fing sich dafür regelmäßig eine halbherzige Ermahnung von Mam ein, was ebenso regelmäßig zu einem der heftigen, aber vollkommen sinnlosen Wortgefechte führte, in die wir neuerdings so leicht hineinschlitterten. Am Ende liefen sie immer auf dasselbe hinaus: Wir kritisierten, dass Mam arbeiten ging.
»Hättest du nicht wenigstens bis nach der Gerichtsverhandlung warten können?«
Sean natürlich, der Weltmeister der Logik, der Mam ein schlechtes Gewissen machen will, dass sie Dad im Stich lässt, wo er doch derjenige ist, der nicht mit ihm spricht.
»Du würdest also lieber in einem Wohnwagen leben, ja?«, sage ich.
»Halt’s Maul!«
»Selber!«
»Ich warne dich, Eala.«
»Leck mich!«
»Kinder, bitte!«
Und so immer weiter, jeden Tag, bis die Ice Queen auftauchte und wie durch Zauberei alles anders wurde. Marta Pelova ist die Frau, die sich stundenweise um Dad kümmert. Den Namen »Ice Queen« hat sie von mir. Ihre Haare sind schon so oft blond gefärbt, dass sie wie Stroh und ohne jeden Glanz sind. Ihr Gesicht ist perfekt, aber merkwürdigerweise kein bisschen schön. Sie hat die Seele eines Schneeballs. Mit einem Stein in der Mitte. Dad liebt sie.
Mam wollte, dass wir alle dabei waren, als die tschechische Frau für ein erstes Gespräch vorbeikam. Die Ice Queen saß wie die personifizierte Förmlichkeit am Küchentisch. Nur ihr Mund lächelte, als Mam uns vorstellte. Schwer zu sagen, wie alt sie ist. Irgendwas zwischen fünfundzwanzig und vierzig, genauer kann ich es nicht schätzen.
»Ich komme von Moravia«, erzählte sie uns.
Dad war fasziniert von ihrem Akzent.
»In meinem Heimatland bin ich eine Krankenschwester. Ich lebe in Irland jetzt fünf Jahre. Erst ich habe in ein Pflegeheim gearbeitet, dann in privat. Ich bin eine Pflegerin für behinderte und für sterbende Leute.«
Wir schauten zu Mam, die erst genauso sprachlos war wie wir. Wir, das waren Sean und ich. Dad schien nicht bemerkt zu haben, was die Frau da rausgehauen hatte.
»Sie meinen, Sie haben sich auf die palliative Pflege spezialisiert?«
»Palliative Pflege, ja«, sagte Marta, kein bisschen irritiert von ihrem sprachlichen Missgriff. »Aber es ist schwer manchmal, darum ich will wechseln. Pflege an Behinderte ist guter Wechsel.«
Ich wäre fast ausgeflippt, dachte: Rafft sie es nicht, dass sie so vor Dad nicht reden kann?
Mam dachte genau dasselbe.
»Wir benutzen das Wort ›behindert‹ nicht, Marta, okay?«, sagte sie.
Und wieder schien es der Frau nicht peinlich zu sein. Dad lächelte sie die ganze Zeit an, und ich wünschte, er hätte aufgehört, sich zum Idioten zu machen.
»Ist keine Problem.«
Ich sah, dass Mam Zweifel
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