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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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Sängerinnen und Sänger sind keine guten Schauspielerinnen und Schauspieler, und umgekehrt ist es leider nicht besser.«
    Miss O’Neill lehnt am Klavier vor der Bühne der Aula und hält uns mehr oder weniger dieselbe Rede wie letztes und vorletztes Jahr. Sie ist nur lockerer als sonst und klingt dadurch gleich viel freundlicher. Ein bisschen kommt es mir vor, als wollte sie uns vorspielen, wie ihr Leben sein könnte, wenn es nicht so wäre, wie es nun mal ist.
    »Wir haben diesmal mehr Zeit für die Proben, deshalb werden wir uns in den ersten Sitzungen aufs Schauspielerische konzentrieren. Unser Ziel ist es, eine Rolle nicht nur zu spielen, sondern mit ihr eins zu werden. Wir fangen mit ein paar kleinen Rollenspielen an.«
    Die haben wir allerdings letztes Jahr auch schon gemacht, und richtig was gebracht hat es nicht. Miss O’Neill klatscht in die Hände, als wollte sie Tote aufwecken, und ich spüre ein leichtes innerliches Zittern, wie so oft in letzter Zeit. Ich habe wieder mal keinen guten Tag.
    »Michael, Marie und Jill – mit euch fangen wir an!«
    Die drei schlurfen nach vorn, stehen da, starren auf den Boden und versuchen es Miss O’Neill recht zu machen, alles wie gehabt. Sie spielen Vater-Mutter-Kind, und die Eltern haben herausgefunden, dass ihre Tochter leider mit einem Hallodri ausgeht. Während ich ihnen zusehe, überkommt mich wieder das miese Gefühl, mit dem ich heute Morgen aufgewacht bin. Ich spüre einen festen Knoten im Magen und einen dumpfen Schmerz im unteren Rücken. Ich fühle mich wie zwischen Donnergrollen und dem Blitz, der erst noch kommen muss.
    Ich frage mich, was ich eigentlich hier verloren habe. Welches Recht habe ich, zu singen und zu tanzen? Warum, um Himmels willen, habe ich die Hauptrolle angenommen? Wenn ich ganz ehrlich wäre, müsste die Antwort lauten: aus Wut. Aus einer stummen Wut, weil es Dad gut geht und ich wieder mal nichts dafür kann. Was geschehen ist, ist ohne mein Zutun geschehen.
    »Wir haben einen Tagesplatz für ihn«, verkündete Mam vor ein paar Wochen.
    »Wo?«, fragte ich.
    »Sie nennen sich Head-Up-Centre«, sagte sie. »Schon mal gehört? Es ist eine Einrichtung speziell für solche Fälle, in dem Gebäude hinter dem alten Tanzsaal an der Rock Street. Er kann jeweils dienstags und donnerstags für ein paar Stunden hin.«
    Ich kannte die Einrichtung nicht, aber mir gefiel der Name nicht, und was den Ort betraf, war ich mal wieder das kleine Mädchen von vor vielen Jahren, das sein Dreirad nicht sah, obwohl es direkt vor seiner Nase stand. Ich meine, ich war schon tausendmal in der Straße gewesen, aber ichhatte noch nie ein Schild oder sonst einen Hinweis auf dieses Centre gesehen. Oder war da gar kein Schild? Behandelten sie die Hirngeschädigten lieber im Verborgenen?
    »Und was macht er da?«, fragte ich.
    Die Kaffeebecher, die sie gerade spülte, wurden schon seit Jahren innen nicht mehr richtig sauber, und ausgerechnet jetzt sollten sie es komischerweise werden.
    »Oh, zum Beispiel … Entspannungsübungen … Du weißt schon … sie lernen, miteinander umzugehen und … Die Sache ist die, dass sie keine öffentliche Unterstützung bekommen, das heißt, im Augenblick sind ihre Möglichkeiten noch beschränkt … aber sie sind dabei, mehr Geld aufzutreiben. Sie haben diesen Wohltätigkeitsladen an der Long Mall.«
    In dem Laden war ich sogar ein paarmal gewesen. Ich hatte nur nicht gewusst, um welche Art von Wohltätigkeit es dort ging. Alles, woran ich mich erinnerte, waren der muffige Geruch der gebrauchten Kleider, die sie verkauften, und eine schmale asiatische Frau, die hinter der Theke saß und in einem Buch las. Jill war auch dabei gewesen und hatte sich geekelt. »Das könnten Kleider von Toten sein!« Sie steht allerdings auch mehr auf Sachen, die gerade angesagt sind.
    »Fiona glaubt, dass er so weit ist.«
    Ich trocknete gerade die Teller ab, die sie schon gespült hatte, und hätte am liebsten einen genommen und quer durch die Küche gepfeffert. Ich tat’s natürlich nicht. Stattdessen startete ich einen meiner vergeblichen Angriffe auf Miss U.
    »Sie wird erst Ruhe geben, wenn Dad irgendwo weggeschlossen ist«, sagte ich.
    »Bitte, Eala!«
    Sie wischte sich mit dem nassen Handrücken über die Stirn, und ein paar Tropfen Wasser verirrten sich auf ihre Wangen. Die Tränen, die sie weinen sollte, aber nicht weint , hörte ich Angie sagen.
    »Sieh mal, unser miserables Gesundheitssystem sieht wenig bis gar nichts für jemanden wie

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