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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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Wie falsch war diese Waisenmädchenschnulze, in der ich die Hauptrolle gespielt habe, eigentlich? Was soll die Geschichte eines jungen Mädchens, das mit einem alten Mann leben wird? Ich habe Magenschmerzen, wenn ich weiterdenke. Und Dad war auch so ein schutzloses Kind, das plötzlich Waise geworden war. War irgendetwas geschehen, das ihm den Mund verschlossen hat? Konnte er deshalb nie über die Heime reden, in denen er gelebt hat? Oder über die Menschen, die sich um ihn gekümmert haben? Die sich um ihn hätten kümmern sollen?
    Wir biegen in unsere Einfahrt und parken neben Miss Understandings Auto. Ich hasse es, wenn sie mit Mam allein ist. Ich traue ihr nicht. Ich sollte reingehen und ihre kleine Unterhaltung stören, aber ich bin zu erschöpft. Dad taucht kurz am Vorderfenster seines Zimmers auf. Dann die Ice Queen. Sie starrt mich an. Martin hebt die Hand zu einem kleinen, zögerlichen Gruß, dann sind die beiden wieder weg.
    »Pass auf Sean auf, Eala!«, sagt Martin. »Ich hab Angst, er macht irgendeinen Unfug. Diese Healys sind gefährlich, und das Letzte, was Judy braucht, sind Probleme mit diesem Gesindel.«
    Er schaut mit großen traurigen Augen zum Wohnzimmerfenster.Man kann Mam sehen, wie sie auf dem Sofa sitzt und an die Decke starrt, während Tom neben ihr auf und ab hüpft. Sie sieht total erschöpft aus. Ich kann Miss U nicht sehen, aber ich weiß, dass sie das Reden übernommen hat, weil Mam andauernd nickt, als wäre sie mit allem einverstanden, was ihr Gegenüber sagt.
    »Kommst du mit rein?«, frage ich, während ich den Sicherheitsgurt löse. Aber das Gefühl der Erleichterung, das ich dabei verspüre, hält nicht lange an. So groß der Mercedes auch ist, ich fühle mich darin wie eingesperrt. Ich bekomme plötzlich nicht genug Luft, und meine Finger wissen nicht mehr, wo der Türgriff ist.
    »Nein.« Martin schüttelt den Kopf. »Ich hab noch im Büro zu tun.« Er sieht nicht aus, als würde er sich darauf freuen.
    Als die Tür aufgeht, lehne ich mich dagegen und falle fast aus dem Wagen. Martin merkt es nicht. Er beobachtet immer noch Mam. Die Luft, die ich so dringend gebraucht habe, ist so kalt, dass ich sie auf jedem freien Fleckchen Haut spüre.
    »Wart Mam und du zusammen, bevor Dad aufgetaucht ist?«, frage ich.
    »Wir waren noch Kinder, und es hat gerade mal zwei Monate gehalten«, sagt er mit einem bedauernden Lächeln. »Wenn du denkst, dass ich heute klein bin, hättest du mich damals sehen sollen. Ich war ein Jahr älter als Judy und hab ausgesehen wie ihr kleiner Bruder.«
    »Das Gefühl kenn ich«, sage ich.
    »Pass auch auf dich auf, Eala!«, sagt er, und das Beste, was mir dazu einfällt, ist, zum Abschied kurz die Hand zu heben.
    Ich warte, bis der Mercedes auf die Straße biegt und davonfährt. Ein oder zwei Minuten vergehen. Die heraufziehende Kälte lockt mich ins Haus, die Straßenlichter locken mich nach draußen zu einem kleinen Spaziergang, einer kleinen Flucht. Ich folge den Straßenlichtern.

17
    Manchmal merkst du erst, wohin du unterwegs bist, wenn du dort ankommst. Ich stehe an der Stelle, wo Dads Geist in einem schwarzen Loch verschwunden ist. Ich bin nicht sicher, was ich dort zu finden hoffe. Dads MP3-Player, der noch im Rinnstein liegt? Blutflecken auf dem Bürgersteig? Ich gehe auf die Knie und suche die schmutzigen, von Kippen bedeckten und mit flach getretenen Kaugummis übersäten Betonplatten ab. Es gibt Flecken noch und noch, aber die könnten alles mögliche Eklige sein. Ein Mann mit einem Windhund geht eiligen Schrittes vorbei. Er schaut sich immer wieder um und fragt sich offensichtlich, was zum Teufel ich da mache. Ich stehe auf und gehe langsam zu der Giebelwand, gegen deren Sockel Dad mit dem Kopf voran geknallt ist. Ich finde auch da kein Blut, keinen Kratzer im groben Verputz, nichts.
    Warum hast du nie mit mir gesprochen, Dad? Warum hast du mir dein Geheimnis nicht anvertraut? Ich weine, und Angie ist ganz nah bei mir. Klar doch, Eala, und wenn er ’ s dir erzählt hätte, würdest du genauso heulen und dir selbst leidtun, denn das ist es doch, was du tust, richtig? Dir selbst leidtun und warten, dass jemand kommt und dich in den Arm nimmt, und zwar ein gewisser Brian, richtig? Ich sage ihr, dass sie mich in Ruhe lassen soll. Ich renne zurück nach Hause,aber ich kann sie nicht abschütteln. Du bist so erbärmlich, Eala.
    In unserer Einfahrt übertönen meine Schritte auf dem Kies Angies Stimme. Ich nehme den schmalen Pfad am Souterrain vorbei

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