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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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sie schließlich auch. Er lehnt sich gegen die Steinmauer, und ich schaue ihm zu, wie er den Schwänen zuschaut.
    »Bevor wir in die Stadt gezogen sind, haben wir in einem kleinen Dorf in der Nähe von Cork gewohnt«, sagt er. »Da gibt es eine feuchte Wiese ganz in der Nähe von Großvaters Haus, die liegt tiefer als das Land drum herum und wird jedes Jahr überflutet. Dabei gibt es da nicht mal einen Fluss. Aber jedes Jahr kommen genau zur richtigen Zeit die Schwäne auf die Wiese. Unglaublich, Mann. Es ist, als wüssten sie ganz genau, wann das Wasser für sie da ist. Als wir hierhergezogen sind, hab ich sie richtig vermisst.«
    »Warum seid ihr eigentlich umgezogen?«, frage ich.
    »Sie haben Dad befördert«, sagt er. »Also mussten wir alle mit in dieses Kaff.«
    Ich weiß nicht, warum ich so empfindlich darauf reagiere, dass er unsere Stadt ein Kaff nennt. Es ist nicht so, dass ich sonderlich an ihr hängen würde oder so.
    »Aber du bist alt genug, um wegzuziehen, wenn du willst«, sage ich.
    Benimm dich endlich wie eine Sechzehnjährige und nicht wie ein kleines Mädchen! , spottet Angie. Aber mir reicht’s einfach nur. Mir reicht’s, immer nur wütend, müde oder am Rand eines Nervenzusammenbruchs zu sein. Und mir reicht’s, ständig so zu tun, als hätte ich was gegen Brian.
    Angie amüsiert sich köstlich über mich. Wenn es Jill wäre, die sich bei dir ausweint, wärst du längst abgehauen. Ich wische Angie weg. Und ich weiche Brians Blick nicht aus, als er mich anschaut. Ich wünsche mir, dass gleich irgendetwas zwischen uns passiert, aber er weiß offenbar nicht, was er tun soll. Nein, natürlich weiß er, was er tun soll. Er denkt nur noch mal darüber nach, ob er’s mit mir tun soll, und jetzt, wo er mich lange genug angeschaut hat, beschließt er, dass es wohl doch keine gute Idee ist, und schaut wieder in den Fluss. Für mich fühlt es sich an, als hätte er mir etwas gestohlen. Etwas, das ich nie besessen habe. Ich fühle mich so leer, dass es wehtut.
    »Ich sollte nach Hause«, sage ich.
    Wir gehen in Richtung unserer Straße. Der Fluss flüstert, als wollte er ein Gerücht verbreiten: Sie hat sich eingebildet, dass er sie mag – wie naiv kann man eigentlich sein?
    W arum sollte er? , lästert Angie. Es gibt noch jede Menge andere Fische im Fluss.
    Im Meer, heißt es in dem dämlichen Spruch, Angie! Außerdem kann ich nicht mal schwimmen.
    »Wie geht’s Jimmy?«, fragt er.
    »Wenn’s dich wirklich interessieren würde, würdest du vorbeischauen und ihn selber fragen.«
    »Ich weiß, dass ich das sollte«, sagt er. »Aber ich kann nicht.«
    »Klar. Du hast dich mit Sean verkracht, da kann Jimmy sehen, wo er bleibt. – Die paar Schritte geh ich allein, danke.«
    »Das ist nicht der Grund.« Er ist stehen geblieben, aber ich gehe weiter.
    »Okay, was ist es dann? Erlaubt es dir dein Vater nicht? Oder deine Mutter?«
    »Nein. Es ist … kompliziert.«
    Als ich in unsere Straße biege, schaue ich noch mal zu ihm zurück. Er steht im Schatten, als versuchte er, dunkel und geheimnisvoll auszusehen.
    »Ich scheiß auf dein kompliziert , Brian!«
    Ich bin schon in unserer Straße, als ich ihn wieder höre.
    »Sorry, Eala!«
    Dann bleibe ich stehen, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen. Eine Bande Jungs mit Kapuzenjacken kommt mir entgegen, und obwohl ich ihre Gesichter nicht erkennen kann, bin ich mir plötzlich sicher, dass Clem Healy dabei ist. Sie kommen immer näher. Und Clem ist nicht dabei. Aber Angie meldet sich wieder. Du kannst nicht jedes Mal die Panik kriegen, wenn du eine Kapuzenjacke siehst, Eala. Du trägst die verdammten Dinger doch auch die ganze Zeit, ha, ha!
    »Auf dein Sorry scheiß ich auch!«, rufe ich, und die Jungsschauen sich nach allen Seiten um, weil sie wissen wollen, mit wem ich da rede. Als sie niemanden sehen, beschließen sie, dass ich sie nicht alle auf der Latte habe, und gehen an mir vorbei.
    »Eala!«, ruft Brian, und die pickligen Jungs stutzen erst einen Augenblick, dann äffen sie ihn nach und finden es wahnsinnig lustig.
    Dann fällt mir wieder seine Geschichte von den Schwänen bei ihnen zu Hause ein, und ich komme mir einfach nur doof vor, weil ich auf sein Gerede hereingefallen bin. Ich wette, er weiß, dass Eala das irische Wort für Schwan ist. Nur darum hat er die rührselige Geschichte erfunden. Als wäre ich ein kleines Mädchen, dem man eine Gutenachtgeschichte erzählt.
    »Und auf die abgefeckten Schwäne scheiß ich zweimal!«, rufe ich, und die

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